
Challenge-Montag: Marktschwärmer
Online bestellen – auf dem Marktabholen. Melanie hat am Montag den Marktschärmern in Bonn einen Besuch abgestattet.



Gestern war Marktschwärmer-Tag. Zumindest in „meiner“ Marktschwärmerei Bonn Altstadt. Die Abholtage legen die GastgeberInnen selbst fest. Dabei sind ideale Abholzeiten, wenn die meisten Menschen Feierabend haben. Bei mir ist das zwischen 17:30 und 19:00 Uhr. Für alle, die nicht wissen, wie so eine Marktschwärmerei funktioniert, schreibe ich das Wichtigste heute kurz zusammen.
Vorab noch kürzer ausgedrückt: Als Mitglied einer Marktschwärmerei kannst du regionale Produkte im Internet bestellen und zu einer festen Zeit an einem festen Ort abholen. Dabei triffst du deren Erzeuger persönlich, außerdem deine Gastgeberin oder deinen Gastgeber, die das Ganze organisieren und dir bei Fragen und Problemen weiterhelfen.
Auch wichtig: Es gibt weder einen Bestellzwang noch einen Mindestbestellwert. Was, wann, wie oft und wie viel du bestellst, bestimmst du selbst.
Das Prinzip Marktschwärmer
„Da wir der Meinung sind, dass Lebensmittel viel zu schade sind, um durch Politik und Supermärkte verramscht zu werden, wollen wir unsere Produkte viel lieber direkt an die Kunden abgeben.“, so steht im Flyer von „Spicher’s Hof“ geschrieben. Und diese Einstellung dürften auch die anderen Erzeuger meiner Marktschwärmerei teilen. Um Landwirten und Lebensmittelhandwerkern eine Plattform für die Vermarktung ihrer Produkte zu geben und Verbrauchern einen direkten Weg zu guten Lebensmitteln aus der Region zu ermöglichen, wurde 2010 in Frankreich La Ruche qui dit Oui! („Der Bienenkorb, der Ja sagt“) gegründet und ab 2014 durch nationale Netzwerke in anderen europäischen Ländern erweitert.
Marktschwärmer ist ein selbständiger Teil dieses europäischen Netzwerks in Deutschland und wird von Berlin aus betreut. Anfang 2018 gab es 45 aktive Schwärmereien in zehn Bundesländern, die von ca. 750 Erzeugern beliefert werden. 60 weitere Schwärmereien sind im derzeit im Aufbau. In Frankreich sind es übrigens ungefähr 500(!) Gruppen. Die Gastgeber/innen der Marktschwärmereien nutzen die digitale Plattform mit dem Bestell- und Bezahlsystem und werden bei der Werbung unterstützt. Dafür geben sie 10 Prozent ihres Umsatzes an Marktschwärmer ab. Die Gastgeber/innen selbst erhalten 8,35 Prozent des Umsatzes für ihren Einsatz. Der Rest geht an die Erzeuger.
Zahlen und Fakten zur Schwärmerei Bonn Altstadt
Aktuell sind 1.128 Mitglieder in der Schwärmerei Bonn Altstadt registriert. Jede Woche gibt es im Schnitt ca. 60 Kunden. Darunter sind zwar viele Stammkunden, aber zum Teil wechselt die Kundschaft auch von Woche zu Woche, wie mir meine Gastgeberin Zoe verraten hat. Erzeuger sind zurzeit um die 20 dabei. Nicht alle können aber jedes Mal vor Ort sein. Wird eine bestimmte Mindestbestellsumme nicht erreicht, können sich die Erzeuger außerdem von Woche zu Woche selbst entscheiden, ob sich der Verkauf für sie lohnt.
Heute habe ich diese Anbieter im Quartiersbüro meines Wohnviertels getroffen:
– Den Obsthof Rönn mit leckerem Apfelsaft im 5-Liter-Schlauch und vielen tollen Apfelsorten sowie Birnen und Kürbissen.
– Malte Hövel vom Breuner Hof mit seinem Demeter-Gemüse und Eiern.
– Thomas Kremer mit selbst gebrautem Craft Bier namens „Toms Hütte“ in zwei Sorten.
– Katja Flohe von der Spezialitätenbäckerei Laib & Seele
– Cornelia Schröder (Conny) mit allerlei wunderbaren Produkten vom Garten und Land Hofladen Hartmann.
Außerdem gibt es in der Marktschwärmerei Bonn Altstadt Käse aus Kuh- und Ziegenmilch, Fleisch und Wurst vom Rind, Schwein, Lamm und Kaninchen, Kaffee aus einer kleinen Rösterei, Kräuter und Gewürze, Backmischungen für Brot und vieles andere mehr. Handgemachte Köstlichkeiten wie Müsli, Schokolade, Dattelkonfekt, süße und herzhafte Brotaufstriche, sensationelle Walnusstörtchen, Senf und Wein ergänzen das Sortiment. Die Aufzählung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zeigt aber eines ganz gut: Mit den Produkten aus der Marktschwärmerei kann ich eigentlich schon ganz gut durch die Woche kommen. Und das alles von Erzeugern, denen ich vertraue, ohne (Einweg-)Verpackungen und wegen der Vorbestellung frisch vom Feld.
So begeistert wie ich sind aber nicht alle Menschen.
Kritik an den Marktschwärmereien
Ein Kritikpunkt ist zum Beispiel das enge Zeitfenster für die Abholung. Man will doch spontan und flexibel sein beim Einkauf. Manchmal ist es die Internetplattform generell, häufiger jedoch die Online-Bezahlung, die abschreckt. Dabei sind mehrere Methoden möglich, darunter auch Paypal.
Kritik gab es in Frankreich vor allem vonseiten der SoLaWi-Anhänger, die das Konzept mit seiner Gewinnorientierung als direkte Konkurrenz zur eigenen, gemeinnützigen Wirtschaftsweise sehen. Tatsache ist aber auch, dass viele Verbraucher zwar saisonale Produkte aus der Region schätzen, jedoch meist weder Zeit noch Lust haben, sich in einer Solidarischen Landwirtschaft oder in anderen Ernährungsprojekten zu engagieren. Zoe weiß, dass es diese Kritik auch bei uns gibt. Mittlerweile wird aber eher das Ergänzende als das Trennende gesehen: „Ich habe KundInnen, die ihr Gemüse über die SoLaWi beziehen und andere Lebensmittel wie Brot, Eier, Fleisch und Wein bei mir. Ist doch toll, dass sich das ergänzt und diese Leute damit schon zum größten Teil regional einkaufen.“, so Zoe.
Das kann ich auf jeden Fall unterstreichen. Daher möchte ich jedem, der eine Schwärmerei in der Nachbarschaft hat, nur empfehlen, es einfach mal auszuprobieren. Null Risiko. Und nette Kontakte gibt es gratis dazu – versprochen!
Infos zur Marktschwärmerei Bonn Altstadt mit vielen lebendigen Einblicken gibt es auf der Facebook-Seite.
Auf der Marktschwärmer-Website könnt Ihr außerdem noch einmal genau nachschauen, wer gestern alles mit welchen Produkten bei meiner Schwärmerei dabei war: https://marktschwaermer.de/de/assemblies/9473
Wenn ihr noch mehr Infos braucht und wissen wollt, ob es schon eine Marktschwärmerei in eurer Nähe gibt, geht einfach über die Startseite www.marktschwaermer.de. Vielleicht möchtet ihr sogar selber eine gründen?