Treffen der Agrarminister*innen in Koblenz: Von Scherbenhaufen und Hupkonzerten

Das hat sich unsere Agrarministerin Julia Klöckner wohl gehörig anders vorgestellt. Ihr Plan, beim informellen Treffen der Agrarminister*innen ungestört die Delegationen durch ihre Heimatregion Rhein-Mosel zu führen, zerschellte in einem großen Scherbenhaufen.

Beim bisher durchgedrungenen Verhandlungsstand zur neuen EU-Agrarpolitik könnte man meinen, dass die Agrarminister*innen besseres zu tun hätten, als sich bei Wein, Häppchen und Bootsrundfahrten auf der Mosel genüsslich auf die Schulter zu klopfen. Unbehelligt von der Öffentlichkeit sollten die Grundsteine für ein möglichst weitreichendes „Weiter so“ für die gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) gelegt werden.

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DOCH NICHT MIT UNS! Und der Widerstand war immens.

Los ging es am Sonntag mit fast 1.200 bunt verkleideten Menschen, die umhüllt von Rauchschwaden aus Imker-Smokern und begleitet von Traktoren lautstark gegen Höfe- und Insektensterben und eine fehlgeleitete Agrarpolitik demonstrierten. Wir machten vor dem Koblenzer Schloss klar: Ein „Weiter so“ ist inakzeptabel. Höfesterben, Tierfabriken, Umweltprobleme – die Politik schaut sich die Krisen in der Landwirtschaft seit Jahren tatenlos an und sorgt mit fehlgeleiteten Subventionen sogar noch für ihre Verschärfung. Eine radikale Wende in der Agrarpolitik – hin zu mehr bäuerlicher und ökologischer Politik – ist unumgänglich. Wir forderten ein grundlegendes Umschwenken der 55 Mrd. Euro schweren Agrarsubventionen zur Honorierung von sozialen und ökologischen Leistungen der Landwirtschaft und für eine klimagerechte Agrarwende.

Und wir waren bei Weitem nicht die Einzigen. Drei Tage lang fuhren hunderte Bauern und Bäuerinnen von Land schafft Verbindung (LSV), der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und dem Bundesverband der Deutschen Milchviehhalter (BDM) auf ihren Traktoren von früh bis spät lautstark tönend – zu so einem Anlass montiert man sich ja gerne mal eine LKW-Hupe aufs Dach – durch die Stadt und legten den Verkehr lahm. Äußerst eindrucksvoll wurde versucht, die Gala-Fahrten der Minister*innen zu blockieren und der angesammelte Unmut kundgetan.

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Koblenz erstrahlte im Agrar-Protest

Die ganze Stadt war voller Traktoren und überall fanden Gespräche zwischen den Bäuer*innen untereinander, mit Umweltaktivist*innen und Passant*innen statt. Zwei Kühe spazieren mit ihren Halterinnen am Rheinufer auf der Promenade entlang, vorbei am Protest-Camp der BUND-Jugend. Ein Schiff voller Milchbauern und dutzender lebensgroßer Kuhfiguren schipperte Klöckners Mosel-Weinfahrt entgegen. Wenn das Deutsche Eck von bäuerlichen Fahnen und Plastikkühen geschmückt ist, wenn Aktivist*innen nachts die Koblenzer Burg für einen Banner-Drop erklimmen, wenn Flugfahnen durch die Luft gezogen werden und spätestens wenn vor der Konferenzhalle 1500 Weinflaschen aus einer Hängerladung zerschellen, wird klar, dass die aktuelle Agrarpolitik ein Scherbenhaufen ist. Denn Agrarpolitik ist weitaus mehr als ein informelles Treffen von Agrarminister*innen hinter verschlossenen Türen, sondern Agrarpolitik geht uns alle an! 

  • Demonstration anlässlich des EU-Agrarministertreffens in Koblenz (30.8.)

Pressefoto kann zur freien Verwendung gegen Angabe der Quelle genutzt werden: 

Bernd Hartung/www.wir-haben-es-satt.de
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Und Koblenz war mehr als Protest. Koblenz war Diskurs

Überall fanden sie statt: Diskussionen zwischen Stadt und Land, zwischen Umweltschützer und konventionellen Landwirt, zwischen Veganerin und Milchbäuerin, zwischen Klimaaktivist und Schweinebauern, zwischen Passant und Junglandwirtin. Und zwischen den verschiedenen landwirtschaftlichen Protest-Bündnissen, um die Kämpfe zu vereinen.

Denn eins war vielen klar: Nur gemeinsam schaffen Landwirt*innen und Zivilgesellschaft es, den Druck auf die fehlgeleitete Politik zu erhöhen. So wurden in intensiven Gesprächen der Grundstein dafür gelegt, zusammen an einen Tisch zu kommen um zu Themen wie der Ablehnung des Mercosur-Abkommens, der Reform der Bodenpolitik, Konzernmacht und mehr Wertschätzung für die landwirtschaftliche Erzeugung gemeinsame Forderungen und Aktionen zu entwickeln! So soll sich Julia Klöckner noch lange an die Hupkonzerte von Koblenz erinnern, denn die Geister die sie rief sind erwacht und ins Gespräch miteinander gekommen.

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Auf zur Agrarwende! Auf zu mehr rebellischer Zusammenarbeit für die Zukunft bäuerlicher Landwirtschaft!