Milchkrise: Schaffen wir das, oder wird Deutschland bauernfrei?

2015 schlossen 3 214 Milchviehbetriebe für immer ihre Türen. Das macht acht pro Tag. Allein im Milchland Niedersachsen fehlten den Betrieben letztes Jahr über 600 Mio. Euro an Einkommen. Bundesweit werden die Verluste auf 6 Mrd. Euro geschätzt.

Und auch nach einem desaströsen Milchkrisenjahr 2015 ist leider immer noch keine Entspannung in Sicht. Die Preise für Milch sind weiterhin im Keller von 22,1 Cent, 23 Cent unter Produktionskosten. Die Deckung der laufenden Kosten und die Zahlung der Arbeitskräfte ist für die Betriebe nahezu unmöglich. Rücklagen von den Vorjahren und Einnahmen aus anderen Betriebszweigen helfen nur bedingt. Die Lebensunterhalte der Bäuerinnen und Bauern werden zur Zeit über Kredite finanziert und die Schuldenberge häufen sich an. Mittlerweile haben die Preise die EU-Interventionsmarke unterschritten, mit EU Geldern wird also nun Milchpulver gekauft und eingelagert. Eine Trendwende ist noch nicht abzusehen.

Über mögliche Auswege wird derzeit viel in Berlin und auch Brüssel debattiert. Nächste Woche trifft sich der EU-Agrarministerrat zu weiteren Beratungen und ein buntes Potpourri aus Vorschlägen tritt zu Tage:
Die Rufe nach kurzfristigen Finanzspritzen, Liquiditätshilfen und -bürgschaften werden immer lauter, vor allem von der CDU und vom Deutschen Bauernverband (DBV). Der fordert ebenso eine „stärkere Erschließung von Absatzalternativen in wertschöpfungsstarken Drittländern“, kurz: noch mehr Exporte von billigem Milchpulver, um ausländische Milchviehbetriebe zu unterbieten. Dafür nötig wären seiner Meinung nach der Abbau von „Handelshemmnissen“, sowie die Vergabe von Exportkrediten- und -bürgschaften. Minister Schmidt hat bereits mit der Ernennung eines weiteren Exportbeauftragten reagiert. Bürokratieabbau und Steuererleichterung stehen genauso wie Änderung der Vorschriften im Bau-, Natur- und Umweltrecht auf der Wunschlisten von DBV und CDU.

Die schlechte Verhandlungssituation von Molkereien gegenüber dem konzentrierten Lebensmittelhandel in der Hand von fünf Konzernen (Aldi, Edeka, Rewe, Metro und die Schwarzgruppe) sehen viele als eine wesentliche Ursache für die niedrigen Preise. Erst kürzlich hatte die Lebensmittelkette Norma ihr Butterpreise drastisch gesenkt. Dass eine Mengenreduzierung nicht nur die Preise stabilisieren, sondern auch die Verhandlungsmächte verschieben würde, scheinen bisher allerdings nur der Bundesverband Deutscher Milchviehalter (BDM) und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft erkannt zu haben.

Während sich die Bundesregierung klar gegen staatliche Eingriffe in die Produktionsmengen ausspricht, ist Vergleichbares bereits auf Molkereiebene geschehen. Die Molkerei Friesland Campina zahlt jenen Betrieben, die ihre Liefermengen drosseln, zwei Cent pro Liter mehr. Die grünen Agrarminister*innen der Länder fordern ein Sofortprogramm von der Bundesregierung, die diese zwei Cent der Molkereien verdoppelt. Auch der französische Agrarminister hat bereits einen ähnlichen Vorschlag an den EU-Agrarrat herangetragen. Doch anstatt die Überproduktion abzubauen, setzt die EU-Kommission mit Agrarminister Hogan weiterhin auf Wachstum und Export. In den vergangen Jahren sind die Exporte von Milchpulver nach Sub-Sahara-Afrika um 20 % gestiegen und viele europäische Molkereien investieren aggressiv in die Molkereiwirtschaften von Ländern wir Nigeria, Ghana oder Burkina Faso. Anstatt mit Qualität und regionaler Vermarktung Perspektiven zu schaffen, liegt größeres Interesse daran, diese Milchkrise an ärmere Länder zu verkaufen.

Aktion Agrar und Attac fordern eine Abkehr von dieser zerstörerischen Exportpolitik. Mach mit und unterzeichne hier!


Bild: flickr.com/photos/lovenotfear/

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Leonie Dorn

Vergisst beim Anblick von Klatschmohn all ihre Sorgen und trauert Jon Stewart immer noch nach.

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