
Durch’s Hoftor
Die Hoftorbilanz, schon wieder einer dieser Fachbegriffe, der durch Agrarblogs geistert, und den alle erstmalnachschlagen müssen, um die Forderungen unserer Kampagne „Den Tierfabriken den Güllehahn zudrehen!“ zu verstehen? Vielleicht, aber es lohnt sich. Aktion Agrar fordert die Einführung der Hoftorbilanz. Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik (WBA) beim Bundeslandwirtschaftsministerium rät dazu und der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) auch¹. Aufgezeichnet wird dabei alles, was unter dem Hoftor hindurch fährt, also was den Hof verlässt und was auf den Hof kommt. So weit, so gut.
Das könnte viel sein: zu Beginn des Wirtschaftsjahres Mineraldünger oder Saatgut, nach der Ernte Getreide oder Kartoffeln.
Die Hoftorbilanz erfasst die Stickstoffmengen, die in einen Betrieb gelangen (Düngemittel, Tierfutter etc.) und die Mengen, die ihn in Form von landwirtschaftlichen Produkten wieder verlassen (Kulturpflanzen, Milch, Fleisch, Eier etc.)².
Quelle: Zweckverband Landeswasserversorgung Baden Würtenberg, BUND
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In diesem Zusammenhang ergeben sich völlig unterschiedliche Konstellationen, je nachdem, ob wir uns einen Hof anschauen, der Kreislaufwirtschaft betreibt (in der Grafik links), oder eine Tierfabrik, die in großem Stil Schweine, Rinder oder Geflügel mästet (rechts).
Kreislaufwirtschaft heißt: alle Nährstoffe die auf dem Hof anfallen, bleiben auf dem Hof, es kommen nur wenige Produkte von außen dazu. Die Landwirt*innen bauen auf den eigenen Flächen das Futter für die eigenen Tiere an. Der Festmist oder die Gülle aus dem Stall wird auf die Felder rund um den Hof ausgebracht. Je nachdem, was angebaut wird, wird eventuell Mineraldünger dazu gekauft. Kann nicht ausreichend Eiweißfutter angebaut werden, kaufen Landwirte auch Futtermittel zu.
Die Hoftorbilanz zeigt also, wie gut der Betrieb mit seiner Fläche kompatibel ist.
Flächengebundene Tierhaltung würde bedeuten, dass nur so viele Tiere gehalten werden, dass deren Ausscheidungen auf den Flächen des Hofes wertvollen Dünger darstellen können. Letztlich muss die Tierzahl zu den vorhandenen Flächen passen und entsprechend begrenzt werden!
Diese Forderung können Tierfabriken nicht erfüllen. Hier stehen die Tiere dicht an dicht und produzieren gigantische Mengen an Gülle, die dann kilometerweit transportiert werden müssen, um an einen Acker zu gelangen der überhaupt noch Dünger aufnehmen kann, ohne dass dieser direkt ins Grundwasser sickert. Da Tierfabriken kein eigenes Futter anbauen, wird oft gentechnisch verändertes Soja in großen Mengen zum Beispiel aus Brasilien importiert, wo für den Anbau in Monokultur Regenwald gerodet und der Boden einseitig ausgelaugt wird.
170 kg Stickstoff pro Hektar erlaubt die EU zur Zeit, davon soll nicht mehr als um 40 kg nach oben abgewichen werden. Wie viel Stickstoff der Boden tatsächlich aufnimmt, hängt aber wiederum von der Bodenbeschaffenheit und den ausgesäten Kulturen ab. Mais zum Beispiel erträgt so viele Güllefuhren wie kaum eine andere Pflanze, ohne sichtbare Schäden. Stickstoffüberschüsse werden in Nitrat umgewandelt, das in größeren Mengen krebserregend wirkt. Bei Regen werden die Nährstoffüberschüsse in umliegende Gewässer gespült, wo sie zur Algenblüte führen. Es braucht jetzt strenge, an Boden und Kultur angepasste Obergrenzen, die auch mittels Bodenproben kontrolliert werden müssen! Die Gülle aus Tierfabriken bringt noch ein großes Risko mit sich: über sie gelangen auch Antibiotikarückstände in den Boden und töten die nützlichen Organismen ab. Die zu hohen Medikamentengaben gefährden Mensch und Tier durch multiresistente Keime.
Allein über die Einführung einer Hoftorbilanz wird sich die Situation nicht verbessern. Aber sie wäre ein erstes Mittel, um für jeden Betrieb die Situation zu erfassen und verändern zu können. Sie ist hilfreich bei der Beratung, aber auch zentral für Betriebsgenehmigungen, weil sie zeigt, welche Höfe zur Nitratüberdosis beitragen und welche nicht. Erste Agrarministerien der Länder, wie zum in Beispiel Niedersachsen sind auch dazu übergegangen, die gemessenen Nitratwerte zu veröffentlichen³.
Wir fordern zusätzlich Verschärfungen im Baurecht, um den Bau neuer Megaställe zu verhindern. Die meisten großen Tierfabriken würden keine Baugenehmigung bekommen, wenn es klare Auflagen zu Bewegungsmöglichkeiten, Gesundheit und Auslauf der Tiere gäbe, und zum Schutz von Umwelt und Anwohnern des Stalles vor Schadstoff-, Lärm- und Geruchsemmissionen. Die Gemeinden brauchen in jedem Fall stärkere Mitspracherechte, denn sie sind direkt betroffen.
Einhergehen muss das mit der Förderung flächengebundener Tierhaltung und heimischer Futterproduktion. Mit rund 100 Euro pro Jahr und Kopf fördert die EU die Landwirtschaft. Das würde reichen, um eine echte Agrarwende zu finanzieren. Es ist höchste Zeit, dass gezielt die flächengebundene und artgerechte Tierhaltung gefördert wird und die heimische Futterproduktion. Echte Kreislaufwirtschaft auf den Höfen muss das Ziel sein.
Forderne gemeinsam mit uns die Hoftorbilanz und eine flächengebundene Tierhaltung! Unterschreibe jetzt unsere Petition an die Agrarminister*innen
1 http://www.agrarheute.com/bundesregierung-gegen-hoftorbilanz 2 http://ec.europa.eu/agriculture/envir/report/de/nitro_de/report.htm 3 http://www.weser-kurier.de/region_artikel,-Ministerium-stellt-Messwerte-online-_arid,1037762.html
Bild: Patrick Dalton/cc