Letzte Wochen waren wir zu Besuch auf der Eurotier in Hannover, der weltgrößten Messe für Tierhaltung. Das Motto der Messe „Transformation der Nutztierhaltung“ klang vielversprechend. Die Aufgabe gigantisch. Wie schafft es die Tierhaltung sich sich an die ändernden Anforderungen an Klima- und Umweltschutz sowie gesellschaftlichen Ansprüchen an Tierwohl anzupassen?
Bereits der erste Stand hinter dem Eingang ins Messezentrum machte deutlich, was hier unter „zukunftsfähiger“ Tierhaltung zu verstehen ist. Auf großen Lettern steht da „Leader in Big Farm.“ Der Stand der Firma Rota Guido präsentierte auf einem riesigen Bildschirm Baupläne und Bilder von Megaställen für 3000, 4000, oder 5000 Milchkühe – gebaut in Ungarn, Kasachstan, Weißrussland oder Italien. Wir gingen ins Gespräch und fanden heraus, dass einen Tag zuvor der erste große Stall nach Deutschland verkauft wurde und nahe der Grenze zu den Niederlanden errichtet werden soll.
Sieht so also die Transformation der Nutztierhaltung aus? Ausgestattet mit Handykamera und einem Mikrofon stürzten wir uns ins Getümmel.
Im Milchviehbereich war auf Grund des guten Milchpreises große Investitionsstimmung. Investiert wird in Automatisierung, u.a. weil Arbeitskräfte immer schwieriger zu finden sind. Auch das Tierwohl spielt eine immer größere Rolle erzählte uns ein Aussteller, der Gummimatten für Kuhställe verkauft. Unter dem Motto „Bringt die Weide in den Stall“ dürfen es sich einige Kühe wohl bald auf gefederten Plastikmatten gemütlich machen. Sieht so eine Transformation der Nutztierhaltung aus?
Unsere Interviewanfragen an viele der großen Playern im Fleisch- und Futtermittelmarkt – wie Vion, Cargill, ADM oder Agrarvis – werden abgewimmelt. „Der Pressesprecher ist heute leider unterwegs.“. „Unsere Kommunikationsperson ist im Moment im Gespräch.“ Die anwesenden Mitarbeiter:innen dürfen uns keine Antwort geben, was ihre Vision für die Tierhaltung von morgen ist.
Je mehr wir von der Messe sehen, umso deutlicher wird: die dringend nötige Reduktion der Nutztierzahlen ist auf der Eurotier überhaupt kein Thema. Transformation bedeutet hier technische Lösungen, Wachsen, Automatisieren. Wir finden, eine Gummimatte oder Vitamindrinks zur Minderung der Ferkel-Sterblichkeit sind keine Transformation, sie zementieren den Status Quo und bekämpfen lediglich Symptome einer hochtechnisierten, intensiven Tierhaltung.
Wir starten eine kleine Umfrage unter Messebesucher:innen – viele selbst Landwirt:innen – und hören, dass es ein „Weiter so“ nicht geben kann, aus finanziellen Gründen und aber auch weil die aktuelle Art der Tierhaltung den heutigen gesellschaftlichen Ansprüchen nicht mehr entspricht. Gleich mehrere zeichnen ein düsteres Bild: „Wenn es so weiter geht, wird es in Deutschland keine Produktion mehr geben, sondern alles wird importiert werden.“ Die kleinen Betriebe werden verschwinden.
Dann besuchen wir noch ein Podium zu Thema „Wie wird das Fleisch der Zukunft erzeugt und was bedeutet das für die Nutztierhaltung?“. Hinter dem Titel verbirgt sich das Thema Laborfleisch. Ist das nun die Lösung auf all die Herausforderungen, denen sich die Nutztierhaltung stellen muss? Wir erfahren, dass wenige Konzerne Millionen in die Forschung zu in-vitro Fleisch stecken und dass es bald günstig produziert werden kann. Dem Start-up, das die Idee hat, Laborfleisch dezentral auf den Höfen in alten Schweineställen zu erzeugen, wird eher wenig Perspektive geben.
Die Eurotier versucht gar nicht erst, Antworten darauf zu geben, wie eine wirklich zukunftsfähige Tierhaltung, die Umwelt, Klima und Tierwohl gerecht wird, aussehen kann. Die Messe verpasst es, bäuerlichen Tierhalter:innen eine Perspektive zu geben. Stattdessen werden Deals abgeschlossen, um neue Tierfabriken im bisher nicht dagewesenem Ausmaß zu bauen oder technische Lösungen präsentiert, die wenig ändern an den Konzernmachtverhältnissen im Tier- und Fleischbereich.