Darum geht’s

Brot in Not – freier Weizen statt Konzerngetreide!

Die Bundesregierung unterstützt Saatgutriesen, wie Bayer und Syngenta zur Zeit intensiv bei der Züchtung von Weizen und der Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen. Beinahe alle großen Saatgutkonzerne arbeiten derzeit an der Entwicklung von Hybridweizen. Mittels gentechnischer Verfahren kastrieren sie den Selbstbefruchter Weizen, um ihm dann Hybridnachkommen aufzuzwingen. Zum Einsatz kommt zum Beispiel das Gensequenzierungsverfahren CRISPR-Cas9; Konzerne betreiben bereits Lobbyarbeit, damit es nicht als Gentechnik eingestuft wird.

Hybride passen Konzernen perfekt ins Konzept – weil die späteren Samen von solchen Pflanzen nicht wieder ausgesät werden können und deshalb Bäuerinnen und Bauern gezwungen sind, jedes Jahr neues Saatgut einzukaufen. Gerade bei Weizen wäre das weltweit katastrophal: Bisher wird das Saatgut für dieses Getreide, das zusammen mit Mais und Reis weltweit wichtigste Nahrungspflanze ist, noch zu einem großen Teil von Bauern aus der eigenen Ernte gewonnen.
Das Bundesforschungsministerium und das Bundesagrarministerium unterstützen derzeit mit millionenschweren Förderprogrammen wie „Hywheat“, „Restorer“ und „Zuchtwert“die Entwicklung von Hybridweizen, der Bauern abhängig machen wird. Kooperationspartner sind unter anderem: Bayer, Syngenta, KWS, Nordsaat und Limagrain.

Hybridweizen macht abhängig

Es gibt technische und rechtliche Barrieren, die den Nachbau von Hybridsaatgut unmöglich machen und so Bäuerinnen und Bauern zum jährlichen Kauf von Hybridsaatgut nötigen. Bei der Herstellung von Hybridsaatgut werden verschiedene Inzuchtlinien miteinander gekreuzt, die in sich möglichst homogen in der Ausprägung von sortenrelevanten Merkmalen sind. Von der einen Linie wird Pollen auf die Pflanzen der anderen Linie gebracht, die als Mutterpflanzen für das Hybrid-Saatgut dienen. Dieses Verfahren zur Herstellung von Hybriden ist aufwändig und teuer. Im Gegenzug winken höhere Erträge und andere verbesserten Eigenschaften, die auf den „Heterosis-Effekt“ zurückgehen. Dieser Effekt tritt auf, wenn die voneinander sehr verschiedenen Elternlinien unmittelbar zur Saatguterzeugung miteinander gekreuzt werden. Das geschieht aber nur in der ersten Kreuzungsgeneration und verliert sich in späteren Generationen. Daher ist der Nachbau des Ernteguts der ersten Kreuzungsgeneration durch den Landwirt zwar theoretisch möglich, jedoch aus gesetzlich eingeschränkt landwirtschaftlich-betriebswirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll. Die Eigenschaften der entstehenden Pflanzen sind weder vorhersehbar noch vielversprechend.
Weizen ist von Natur aus ein Selbstbefruchter mit relativ kleinen Blüten. Um diese Selbstbefruchtung künstlich zu unterbinden, müssen diejenigen Pflanzen männlich steril gemacht werden, die als Saatgutmutterpflanzen dienen sollen. Bislang geht das nur mit einer Chemikalie, die in Deutschland verboten ist. Den Mutterpflanzen muss dann der Pollen von Kreuzungspartnern gezielt zugefügt werden.
Rechtlich kann der Nachbau von Hybriden über die gesetzliche Umsetzung der internationalen UPOV-Verträge zum Rechtsschutz auf Neuzüchtungen von Pflanzensorten verboten werden. Die Elternlinien bleiben bei der Anmeldung zum Sortenschutz geheim, sie gelten als Geschäftsgeheimnis. Darüber hinaus können Patente den Inhabern weitere Rechte auf Eigenschaften zugestehen, die sich bis hin zu verarbeiteten Ernteprodukten erstrecken können, z.B. auf Kekse aus bestimmtem Weizen.

Hybridweizen und Gentechnik

Wer den Konflikt um die Gentechnik kennt, erlebt ein Déjà-vu: Gentechnikforscher arbeiten an einer weiteren „Lösung“ für ein selbst definiertes bzw. verursachtes „Problem“. Sie versprechen, Weizenerträge mit Hybridsorten zu steigern. Zur Lösung dieser „Probleme“ werden große Versprechungen gemacht, die nicht erfüllt werden.
Neuentwickelte gentechnische Methoden wie CRISPR/Cas9 haben in den letzten Jahren die Hoffnungen neu angeheizt, Hybridweizen einfacher und vielversprechender zu erzeugen. Erstens suchen die Forscher nach kostengünstigeren gentechnischen Verfahren, um männliche Sterilität herstellen und wieder aufheben zu können. Zweitens ist man dabei, das nun entschlüsselte Genom des Weizens zu erforschen. Man möchte erkennen, wo welche Eigenschaften kodiert sein könnten und welche Wechselwirkungen DNA-Abschnitte mit anderen Bereiche haben könnten. Und drittens sucht man Wege, um zehntausende in Genbanken eingelagerte Weizenlinien möglichst rasch auf ihre Eigenschaften bei einer Kreuzung mit anderen Linien untersuchen zu können – ohne aufwendige Feldtests.
Aktuell wird auch das deutsche Gentechnikgesetz überarbeitet. Dabei gibt es nicht nur Bestrebungen Anbauverbote zu erschweren. Es wird auch versucht, die neuen gentechnischen Methoden wie CRISP/Cas9 als „innovative“ Formen der Pflanzenzüchtung zu verharmlosen und sie nicht mehr unter das Gentechnik-Gesetz fallen zu lassen. Damit könnte man Gentechnik- Zulassungsverfahren gleich ganz umgehen.

Bäuerliche Landwirtschaft weltweit unter Druck

Was bäuerliche Betriebe anbauen, hängt auch davon ab, was die Abnehmer haben wollen. Die verarbeitende Industrie setzt Standards, etwa für Eiweiß- und Klebergehalt im Weizen. Industriebäckereien sind an Weizen mit möglichst 100% gleichbleibenden Eigenschaften interessiert, während handwerkliche Bäckereien Getreide aus regionalen Sorten mit weniger einheitlichen Eigenschaften verarbeiten können.
„Wachsen oder Weichen“ ist seit über 60 Jahren in Deutschland der Grundsatz der Agrarpolitik. Mit ihrer Handels- und Subventionspolitik exportieren Bundesregierung und EU die Politik des systematischen Höfesterbens in Länder der ganzen Welt. Großflächiger monokultureller Landbau in Ländern des Südens dient meist nicht der dortigen menschlichen Ernährung, sondern der Viehfütterung im Norden und dessen Energiehunger.
Tödlich für die kleinbäuerliche Wirtschafts- und Lebensweise ist auch die Konkurrenz der Billig-Importe aus dem Norden mit ihren Produkten wie Hühnchenfleisch, Mais und Milch. Dazu kommt die Verdrängung der Menschen von ihrem Land und aus ihren Wäldern, weil dort Plantagen für Soja und Ölpalmen angelegt werden.
Die anhaltende Ausplünderung der verschuldeten Staaten des Südens mittels Schuldendienst-Zahlungen und mittels der Ausbeutung ihrer Rohstoffe und Arbeitskräfte verhindert in diesen Staaten vielfach den Aufbau von Sozialsystemen und einer eigenständigen Wirtschaft, die ausreichende Einkommensmöglichkeiten auch für die städtische Bevölkerung bieten würde.

Gemeinsam für Vielfalt und bäuerliche Landwirtschaft

Der Weltagrarbericht von 2008 hat gezeigt, dass kleinbäuerliche multifunkionelle Landwirtschaft eine höhere Produktivität pro Fläche oder pro Energie-Einsatz haben kann als industrielle Monokulturen. Kleinbäuerliche Landwirtschaft könnte die Welt ernähren, sie muss gefördert werden!
Zuhause fragen Sie doch einfach Ihren Bäcker, mit welchen Weizen- und Roggensorten er sein Backwerk herstellt. Glücklich kann sich schätzen, wer als Berufs-BäckerIn oder als Hobby-BäckerIn für Brot, Kekse und Kuchen regional angebautes Getreide bekommen und von den LandwirtInnen auch noch erfahren kann, von welcher Sorte das Getreide ist.
Wir brauchen handwerkliche Bäckereien und Getreide-Schaugärten, in denen die Vielfalt sichtbar wird. Wir brauchen Bewusstsein für die Bedeutung von Sortenvielfalt und bäuerlicher Saatgut-Souveränität. Letztlich geht es um das Recht aller Menschen, über ihre Ernährung selber zu bestimmen: Ernährungssouveränität.