
Supermarkt-Challenge: Die Kalker Hauptstraße
Johannes Arens stellt uns in der supermarktfreien Woche vier Geschäfte in Köln-Kalk vor. Doch wie kam es dazu und was genau können wir erwarten?

Kaffeerösterei Hans Hogrebe, Kalker Hauptstraße, Oktober 2018

Fischparadies, Rolshover Straße, Oktober 2018

Bäckerei Schlechtrimen, Kalker Hauptstraße, Oktober 2018

Metzgerei Giuseppe Iaia, Rolshover Straße, Oktober 2018
Bevor wir mit den Porträts loslegen, müssen wir noch einmal eine Runde drehen. Auf der Kalker Hauptstraße, aber auch gedanklich – denn schon während der Vorbereitung wird deutlich, dass die eigentliche Challenge woanders liegt.
Die Anfrage
Im Juni kommt die erste Mail von der Aktion Agrar. Kollegin B. aus Aachen habe mich empfohlen, ob ich mir vorstellen könne, eine Woche ohne Supermarkt mit Texten zu begleiten. „Kann ich mir vorstellen“, antworte ich, „ich bin allerdings ab morgen erst einmal zwei Wochen in Frankreich. Wollen wir danach telefonieren?“ Während der Reise geht mir das Projekt durch den Kopf.
Die vorgeschlagenen Themen wie Schnippeldisko, Solawi und Biokiste sind, um ganz ehrlich zu sein, nicht wirklich mein Ding. Und mit Supermärkten selbst habe ich mich ausführlich in meinen Kas|sen|zet|teln beschäftigt. Aber während wir in der französischen Provinz immer wieder verwaisten Markthallen begegnen, den Leerstand in den Innenstädten nicht übersehen können und gezwungenermaßen in den üppigen Supermarchés in den Industriegürteln einkaufen, wird plötzlich deutlich, was mich in diesem Fall wirklich interessiert: Das, was noch da ist!
Der Plan
Also dann die Supermarkt-Challenge in Köln-Kalk. Eine Woche darüber schreiben, wie und wo man auch in der Stadt ohne Discounter und Vollsortimenter auskommen kann. Keine wirklich große Herausforderung, denke ich, vor Ort gibt es ja noch Alternativen. Also schreibe ich ein kleines Konzept, suche mir ein paar Adressen zusammen und mache mir einen Zeitplan.
Montag vor dem Start der Supermarkt-Challenge müsste reichen, plane ich, um alles in Ruhe vorproduzieren zu können. Die Kaffeerösterei, in der die Bohnen in sorgsam polierten Messingschalen abgewogen werden, die Bäckerei, deren Inhaber ich als Produzenten, Nachbarn und Aktivisten schätze, die Metzgerei, in der ich meine Salsiccia kaufe, und der Fischladen, in dem ich mal eine Tüte Knurrhahn für die beste Fischsuppe in die Hand gedrückt bekam. Zufrieden schaue ich auf meine Liste – alles Geschäfte, bei denen ich ein grundlegend gutes Gefühl habe.
Die Kaffeerösterei
Die weißhaarige Verkäuferin poliert etwas hinter der Türe und ich muss einen Moment warten,
bis ich eintreten kann.
„Guten Tag, ich bin Journalist und ich wohne hier um die Ecke. Es gibt da so eine Aktion im Internet, wo die Leute überzeugt werden sollen, weniger im Supermarkt und mehr in so Fachgeschäften wie ihrem hier zu kaufen. Da schreibe ich über Einkaufen in Kalk.“
„Aha. Ja das ist gut.“
„Da hätte ich gerne auch Ihren Laden dabei.“
„Oh!“
„Also ein paar Fragen und vielleicht ein Foto.“
„Ja, das kann man machen. Aber ich frag mal lieber, sonst gibt sowas ja schnell …“
„Verstehe. Ich dachte, Sie sind die Inhaberin.“
„Nein, nein“, sie winkt ab, „davon bin ich weit entfernt.“
Sie verspricht, den Inhaber zu fragen und notiert einige Stichpunkte auf meiner Visitenkarte, die sie mit einem Tesafilm versehen in den hinteren Bereich des Ladens bringt. Ich bleibe noch einen Moment und wir sprechen über Kaffee und Kunden, über die Erderwärmung und das Verkehrskonzept für Köln Nippes.
Die Metzgerei
„Guten Tag, ich bin Journalist. Es gibt da so eine Aktion im Internet, weniger Supermarkt und mehr Fachgeschäfte und so. Da schreibe ich über Einkaufen in Kalk.“
„Aha. Da müssen Sie morgen wiederkommen“, sagt ein Mann, etwa in meinem Alter, der in einer weißen Schürze die Pasta im Regal vor der Fleischtheke sortiert, „der Chef ist heute nicht da.“
„Morgen, ab wann?“
„So ab halb neun.“
Als ich die Metzgerei am nächsten Tag wieder betrete, steht der jüngere Mann wieder vor der Theke, der Chef, um die 70, dahinter.
„Il giornalista“, sagt der Mann von gestern zum Chef. Vielleicht sein Vater?
Der nickt und guckt misstrauisch.
„Ich schreibe über Einkaufen in Kalk.“
„Aha.“
Der Blick wird nicht weniger misstrauisch.
„Nur ein Foto von ihnen und ein paar Fragen.“
Der jüngere Mann übersetzt zur Sicherheit.
„So?“, der Chef streicht sich über die weißen Stoppeln am Kinn, „so geht nicht!“
„Wann ginge es denn?“
„Nächste Woche.“
„Montag?“
„Vielleicht.“
„Montag wäre gut für mich. Vormittags?“
„Ich habe Kompagnon, meine Bruder. Muss ich erst fragen.“
Das Fischgeschäft
Montag Ruhetag.
Als ich am nächsten Tag wiederkomme, schraubt ein älterer Mann mit einer blauen Plastikschürze etwas hinter der Eingangstüre fest und ich muss einen Moment warten, bis ich eintreten kann.
„Guten Tag, ich bin Journalist und schreibe über Einkaufen in Kalk.“
„Aha. Muss ich Chefin fragen.“
Der Mann geht nach hinten und spricht mit einer Frau, die ein Stück nach vorne kommt, um mich besser sehen zu können.
„Ist das mit Geld?“, fragt sie vorsichtig.
„Nein“, sage ich, „gar nicht. Ein bisschen kostenlose Werbung für Sie.“
Die Frau lächelt erleichtert. „Gut. Kommen sie nächste Woche.“
„Nächste Woche?“
„Ja, dann ist mein Sohn wieder da.“
Die Bäckerei
Der Bäcker sollte ja nun wirklich kein Problem sein, denke ich. Den Laden kann ich quasi schon von meiner Wohnung aus sehen, wir sind befreundet und außerdem kommt er jeden Tag mit seinem Hund an meiner Haustüre vorbei. Da begegnet sich man ohnehin ständig. Ich nehme mir vor, ihn bei so einer Begegnung anzusprechen und in der Tat laufen wir uns am nächsten Tag über den Weg. Aber da hat er den Hund dabei und ich das Kind. Das versteckt sich hinter mir, weil der Hund etwa genauso hoch ist.
Zuhause schreibe ich eine E-Mail.
„Lieber E., hast du in den nächsten Tagen mal kurz Zeit für mich? Ich würde dir gerne ein Projekt vorstellen. Gerne früh! 🙂 Grüße J.“
„Gern, lieber Johannes, morgen 7.30? Liebe Grüße E.“