Eiweißfutter in Deutschland und Europa

Europa hat aufgrund massenhafter und auf Hochleistung orientierter Tierhaltung eine „Eiweißlücke“; es importiert jährlich 35,2 Millionen Tonnen Soja für Tierfutter, einen Großteil davon aus Südamerika. Über 16 Millionen Hektar Land außerhalb von Europa werden mit Soja belegt, das erst in die Tiermägen wandert und dann in die Mägen der Konsument*innen tierischer Produkte. Diese Fläche ist größer als das gesamte Ackerland in Deutschland (ca. 12 Millionen Hektar ohne Weideland). Wie kann es mehr Selbstversorgung mit heimischen Eiweißpflanzen in Europa geben?

Drei Wege aus der Eiweißlücke

1. Mehr Soja-Anbau in Europa

Ein Weg ist die Steigerung des Sojaanbaus in Europa, ein Ziel, das sich der Verband „Donau Soja“ auf die Fahnen geschrieben hat, zu dessen 250 Mitgliedern sowohl Vertreter des großen Lebensmittel- und Agrarhandels wie Cargill als auch Umweltorganisationen wie Greenpeace und der WWF zählen. Tatsächlich steigen die Anbauflächen seit Jahren kontinuierlich, von 2011 bis 2017 in der Donau Soja-Region von 944.000 auf 1,8 Millionen Hektar, in ganz Europa mit der Ukraine und Teilen von Russland von 2,2 auf 4,4 Millionen Hektar.

Das bleibt nicht ohne Folgen in Osteuropa: In Rumänien haben sich die Bodenpreise in den vergangenen zehn Jahren verzehnfacht. Große Ackerflächen werden von ausländischen Firmen und Investoren gekauft, die auf den Boom beim Soja und anderen profitablen Pflanzen setzen, während die kleinen und mittelständischen Landwirte sich kein Land mehr leisten können. In Rumänien wird die Soja in großem Maßstab mit intensivem Glyphosat-Einsatz angebaut. In der Ukraine gibt es Hinweise, dass sogar gentechnisch verändertes Saatgut eingesetzt wird. Den Kleinbäuer*innen schade diese Art des Soja-Anbaus, resümiert das Kleinbäuer*innen-Netzwerk „La Via Campesina“. Außerdem stärke der großflächige Soja-Anbau die industrialisierte Tierhaltung. La Via Campesina lehnt deshalb auch die im Jahr 2017 von 13 EU-Staaten unter der Führung von Deutschland und Ungarn unterzeichnete Soja-Deklaration ab, in der die Regierungen die Ausweitung des Sojaanbaus in Europa fördern wollen und als nachhaltig beschreiben. Hier die Position zum Nachlesen (auf englisch).

Auch in Deutschland haben sich die Sojaflächen von nur 1.000 Hektar in 2008 auf 19.100 Hektar in 2017 vervielfacht. Die Sojabohne braucht ein feucht-warmes Klima, was es in Teilen Bayerns und Baden-Württembergs gibt. In den nördlicheren Bundesländern fallen die Erträge niedriger aus, viele Soja-Sorten kommen für den Anbau dort gar nicht in Frage. Dennoch errechnet der Sojaförderring ein Potential in Deutschland von 500.000 bis 780.000 Hektar, womit immerhin 40 Prozent des inländischen Bedarfs gedeckt werden könnten. Der Sojaring schlägt vor, den Verzehr tierischer Produkte zu reduzieren und den Anbau anderer Hülsenfrüchte wie Ackerbohnen, Erbsen, Linsen, Klee und Luzerne auszuweiten um künftig auf Sojaimporte verzichten zu können.

Bild: Ackerbohne, CC-BY-NC Astrid Goltz

2. Umstieg auf andere Futterpflanzen

Ackerbohne, Lupine, Futtererbse und Co können die Tiere ebenso ernähren wie die Sojabohne. Auch sie binden mit ihren Knöllchenbakterien Luftstickstoff und düngen damit den Boden. Sogar in größerem Maße als die auf Eiweißgehalt gezüchtete Sojabohne. Damit haben sie über ihren möglichen Verkaufspreis hinaus einen Wert für die landwirtschaftlichen Betriebe (Vorfruchtwert) und brauchen den Vergleich mit anderen Ackerpflanzen nicht zu scheuen. All diese Hülsenfrüchte werden auch in Niedersachsen angebaut, wie diese Karten verdeutlichen.

In der Rindermast wird verstärkt Rapsschrot als Eiweißfuttermittel eingesetzt. Mit vier Millionen Tonnen hat sich der Verbrauch seit 2004 verdoppelt. Und manche Tierfutterhersteller werden erfinderisch: So werden Insekten als Eiweißquelle in der Tiernahrung vorgeschlagen, die dafür allerdings auch industriell aufgezogen werden müssten. Und ein niedersächsischer Futtermittelhersteller setzt auf altes Brot, das wie kaum ein anderes Lebensmittel den Mülltonnen zum Opfer fällt (BBR in Holdorf).

Förderung der EU und der Bundesregierung

Die EU hat auf die Abhängigkeit von Futtermittelimporten reagiert und fördert den heimischen Anbau von Eiweißpflanzen. Dazu kann jedes Mitgliedsland bis zu zwei Prozent seines nationalen Agrarbudgets als Anbauförderung ausgeben. 16 Mitgliedstaaten nutzen diese Regelung, Deutschland allerdings nicht. Außerdem gibt es die Verpflichtung aller Landwirte, jährlich mindestens 5 Prozent ihrer Ackerfläche als „ökologische Vorrangfläche“ zu bewirtschaften um die Artenvielfalt zu erhöhen, etwa mit Hecken oder Blühstreifen. Der Anbau von Leguminosen (=Hülsenfrüchten) ist hier erlaubt. Weitere Förderungen durch Agrarumweltmaßnahmen und Forschungsprogramme sind vorgesehen.

Die Bundesregierung hat 2012 eine Eiweißstrategie ausgerufen und mehrere Förderprogramme ins Leben gerufen, die den Anbau von Soja, Lupine, Ackerbohne und Erbse praktisch unterstützen sollen. Es entstanden Netzwerke wie der Sojaförderring, das Lupinen-Netzwerk, und das Netzwerk Erbse und Bohne. Parktiker*innen werden hier mit Züchter*innen verbunden und Wege von Verarbeitung und Vermarktung erschlossen. Denn allein der Entschluss von Landwirtinnen und Landwirten, jetzt auf Lupine oder Ackerbohne zu setzen, reicht nicht aus für eine erfolgreiche Vermarktung.

Bild: Schwäbisch-Hällisches Landschwein, besh.de

3. Der Ausweg aus der Massentierhaltung

Im Jahr 2017 wurden in Deutschland 12,4 Millionen Rinder, 27,1 Millionen Schweine, 1,8 Millionen Schafe und 41 Millionen Legehennen gehalten. Das entspricht ziemlich genau unserer Einwohnerzahl. Eine Umweltbelastung, die dies nach sich zieht, ist die zu starke Düngung mit Gülle, die die Artenvielfalt gefährdet, das Grundwasser verunreinigt und die Kosten für sauberes Trinkwasser erhöht. Die größten Tierbestände finden sich im Weser-Ems-Gebiet in Niedersachsen und im nördlichen Nordrhein-Westfalen. In diesen Hotspots der Tierhaltung gibt es immer häufiger Megaställe, in denen tausende Tiere auf engstem Raum gehalten werden. Die Mehrzahl der Masthühner wird beispielsweise in Beständen von über 50.000 gehalten. Die Hälfte der Mastschweine wird in geschlossenen Ställen von 1.000-5.000 Schweinen gehalten.

Da Fleisch in Deutschland erschreckend billig ist, müssen die Betriebe auf Schnelligkeit und Masse setzen, wenn sie nicht schließen oder den Umstieg in das Biosortiment wagen wollen. Für Tierqual unter diesen Umständen gibt es viele Beispiele. So sind 80 Prozent der Schweine verletzt oder an den Atemwegen erkrankt, fast 40 Prozent der Milchkühe leidet an Euterentzündungen und bis zu zwei Drittel der Masthühner haben geschwollene Fußballen und Kahlstellen wegen des Federpickens (Wiss. Beirat für Agrarpolitik 2015).

Die Nutztiere werden auf Wachstumstempo und die schlechten Lebensbedingungen im Stall hin gezüchtet. Das Ergebnis sind etwa Masthühner und Schweine, die sich nur noch unsicher und unter Schmerzen fortbewegen können, da ihr junges Skelett dem enormen Gewichtszuwachs nicht gewachsen ist. Statt über fünf Jahre lebt das Masthuhn in der industriellen Tierhaltung nur noch 30 Tage lang. Diese Hochleistungstiere müssen Hochleistungsfutter zu sich nehmen, um Schritt zu halten. Dazu gehört das eiweißreiche Sojaschrot.

Weniger Fleisch – Raus auf die Weide – flächengebundene Tierhaltung

Weniger Fleisch und tierische Produkte essen, für die aber faire Preise bezahlen – das wäre der einfachste Weg raus aus der Massentierhaltung. Auch wer nur Biofleisch oder Fleisch von der Weide kauft oder ab und zu Wild verzehrt, leistet seinen Beitrag gegen die Bedingungen in der Massentierhaltung und gegen die Mengen an importiertem Soja. Weniger Fleisch zu essen, empfiehlt sich aus aus gesundheitlichen Gründen. In Deutschland essen wir durchschnittlich etwas über ein Kilogramm Fleisch pro Woche. Das ist doppelt so viel wie vor 100 Jahren. Und doppelt so viel, wie Ernährungsexperten empfehlen.

Würden die Tiere mit heimischem Futter gefüttert, würde auch der Preis für das Fleisch steigen. Neben verändertem Einkaufsverhalten sind auch politisch umzusetzende Maßnahmen wie eine Steuer auf Fleisch und tierische Produkte, um die Nachfrage zu senken, in der Diskussion. Weidetiere müssten wieder raus auf die Weide und die Tierhaltung sollte an die Fläche geknüpft werden, die der/dem Landwirt*in für die Verpflegung und Haltung der Tiere zur Verfügung steht (flächengebundene Tierhaltung). Dann wäre der heute übliche Bau von Megaställen nicht mehr möglich.

Eine Chance, dieser Forderung näher zu kommen, ist die aktuelle Diskussion um die Ausrichtung der EU-Agrarpolitik. Hier könnten die Mittel so vergeben werden, dass nur noch Bauernhöfe voll gefördert werden, die Tiere flächengebunden halten – also so, dass ihr Boden die Tiere und die Tiere ihren Boden ernähren können -, die ihre Tiere mit heimischem Futter füttern und ihnen Auslauf ermöglichen, die konsequent auf Gentechnik im Tierfutter verzichten und keine Totalherbizide einsetzen. Einen Vorschlag, wie das umgesetzt werden könnte, hat die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft erarbeitet.

Informiere dich hier und unterschreibe unsere Petition für eine tierfreundliche Agrarpolitik.