In den Neunziger Jahren begann in Paraguay ein Sojaboom. Brasilien hatte es vorgemacht und führte dieses Modell nun in Paraguay ein: mit dem Anbau und Export von Sojabohnen nach Europa (und später Asien) kann Geld gemacht werden. Ackerland gewann an Wert und wird bis heute von Investoren großflächig aufgekauft. Zuerst kamen Landwirte aus dem angrenzenden Brasilien. Sie verkauften ihr dortiges Land und konnten sich dafür ein viel größeres in Paraguay leisten. Dann wurden auch diese von Großgrundbesitzern und von den internationalen Agrarkonzernen verdrängt, die das Interesse haben, weite Teile der Lieferkette zu kontrollieren.
Aus Argentinien kam das gentechnisch veränderte Saatgut. Durch den Schmuggel eingeführt, wurde es ab dem Jahr 2004 vom Staat legalisiert. Heute sind Fleisch und Soja die wichtigsten Exportprodukte Paraguays. Während die Kleinbäuer*innen nur acht Prozent der landwirtschaftlichen Fläche bearbeiten, wachsen auf den restlichen 92 Prozent ausschließlich Monokulturpflanzen für den Export. Deutschland ist der zweitgrößte Abnehmer von Sojabohnen nach Russland. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um das von Monsanto patentierte gentechnisch veränderte „ Roundup Ready“ Soja.
Für den Sojaanbau in Monokultur mussten riesige Flächen an Urwäldern weichen, Territorium der indigenen Guarani. Weite Teile der acht Millionen Hektar Wald im Osten des Landes wurden abgeholzt. Inzwischen ist der Sojaanbau auch in den Westen des Landes gewandert, der trockenen Chaco-Region, in der traditionell Viehzucht betrieben wird. Diese expandiert seit Jahren und verschlingt die Wälder. Nun droht der Sojaanbau zusätzlich die einzigartige Natur des Chaco zu zerstören. Im Januar 2018 erließ der Präsident ein Dekret, welches die totale Abholzung ermöglicht. Es wird befürchtet, dass nun die letzten Wälder der Soja weichen.

Bild: Reste des Dorfes Guahory – illegal von der Polizei geräumt, verdrängt von der Soja. Nina Bünger (FIAN)
Konflikte um Land
Auch Indigene und Kleinbäuer*innen müssen der Soja weichen, da ihre Gemeinschaften von ihrem Land verdrängt werden. Nicht selten sieht man im Osten ein Dorf umzingelt von Sojafeldern oder Schulgebäude inmitten von Sojaflächen. Dies sind Anzeichen dafür, dass die Menschen ihre Landnutzungsrechte verloren haben. Agrarindustrie und Investoren missachten diese Rechte und entziehen damit den Indigenen und Bäuer*innen ihre Lebensgrundlage. Der Staat hat hierbei eine große Verantwortung, denn er kommt seiner Pflicht nicht nach, die ländliche Bevölkerung vor Übergriffen zu schützen, Pestizideinsätze zu kontrollieren und den Menschen den Zugang zu Land zu gewährleisten. Korruption ist hier ein wesentliches Vehikel, das die Expansion der Soja ermöglicht.
Der Soja-Anbau findet mancherorts sogar unter dem Schutz von Polizei oder bewaffneten Diensten statt. Viele Landkonflikte sind in den vergangenen zehn Jahren zu gewaltvollen Auseinandersetzungen geworden, da sich die Bäuer*innen gegen die Naturzerstörung durch Pestizide und deren gesundheitlichen Folgen sowie gegen die Vertreibung von ihrem Land wehren. Vor allem seit dem Machtwechsel 2012 nimmt die Gewalt gegen die ländliche Bevölkerung zu, wie es in massiven Landvertreibungen, Repressionen bei sozialen Protesten oder der Kriminalisierung von Menschenrechtler*innen niederschlägt.
Von Seiten der Kleinbäuer*innen gibt es Landbesetzungen, da dies ihre einzige Möglichkeit ist, ihr traditionell bewohntes Land und ihre Lebensgrundlage zurück zu bekommen. Ihnen bleibt sonst nur noch das Abwandern in die Armenviertel der Städte oder die Migration nach Spanien. Damit verlieren sie auch ihre Macht, sich selbst und die Bevölkerung zu ernähren, ihre Ernährungssouveränität. Sie werden nicht nur vom Markt ausgeschlossen, sondern auch zu Konsument*innen teurer Lebensmittel, die vermehrt importiert werden. So wurden in Paraguay 2015 das Dreifache an Gemüse und Hülsenfrüchten und das Vierfache an Obst importiert als zehn Jahre zuvor.
Die Kleinbäuer*innen haben zwischen 1992 und 2008 fast ein Drittel ihres Landes an das Agrobusiness verloren. Die Anbaufläche von Kleinbäuer*innen an Grundnahrungmitteln soll sich in den letzten zehn Jahren halbiert haben. Großgrundbesitzer*innen dominieren das Bild: schon im Jahr 2008 verfügten 0,2 Prozent der Betriebe über 41 Prozent des Ackerlandes. Seit dem Ende der Stoessner-Diktatur 1989 ist eine Landreform die wichtigste Forderung der Bauernorganisationen. Sie wurde bis heute nicht umgesetzt.
Mehr zu Landkonflikten: Das Dorf Guahory und die Ayoreo im Chaco

Bild: Lager des Pestizids Roundup. Regine Kretschmer
Mit Gift und Gentechnik
Seit 1996 wächst in Paraguay Monsantos Gensoja „Roudup-Ready“. Als die Regierung diese im Jahr 2004 als erste gentechnisch veränderte Pflanze genehmigte, bedeckte sie in Paraguay schon mehr als eine Millionen Hektar. Die genetische Veränderung bewirkt, dass die Pflanze resistent ist gegen das ebenfalls von Monsanto vertriebene Pestizid „Roundup“, dessen Wirkstoff Glyphosat ist. Glyphosat ist ein Totalherbizid, was bedeutet, dass es alle Pflanzen abtötet, die bei entsprechender Dosierung mit ihm in Berührung kommen. Landwirte nutzen es um Umkraut zu bekämpfen z.B. vor der Aussaat. Bei der gentechnisch veränderten Pflanze kann das Glyphosat auch während der Wachstumsphase der Pflanze versprüht werden, was zu einer höheren Dosierung führt.
Im Jahr 2015 stufte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) – eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Glyphosat zum ersten Mal als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Gemeinden, die an die Sojafelder angrenzen, berichten immer wieder von Fehlgeburten, Missbildungen und Krebsfällen, die mit dem direkten Kontakt mit Glyphosat in Verdbindung gebracht werden können. Andere Pestizide führen zu Allergien, Atemnot oder Erblinden. Die Gifte gelangen über den Boden ins Trinkwasser der lokalen Bevölkerung oder in Bäche und Gewässer. Liegen die Äcker der Kleinbäuer*innen direkt neben der Sojaplantage und der Wind verweht das Glyphosat, ist ihre Ernte hinüber.
Seit die gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut werden, ist die Menge an ausgebrachten Pestiziden in die Höhe geschnellt. Ein wichtiger Grund sind Superunkräuter, die inzwischen eine Resistenz gegen Glyphosat entwickelt haben. Gegen diese hilft nur eine höhere Dosierung oder der Rückgriff auf stärkere Gifte, die bereits von den Äckern verschwunden waren. Mehr als 30 Millionen Liter Glyphosat werden aktuell in Paraguay pro Enrtezyklus versprüht. 2015 wurden zusätzlich zwei Millionen Liter des deutlich giftigeren Herbizids 2,4-D und 9 Millionen Liter Paraquat ausgebracht. Ein anderer Weg wäre die Abkehr vom monokulturellen Anbau auf gigantischen Flächen, der die Böden auslaugt und die Pflanzen für Schädlinge anfällig macht.
Der Gentechnik-Konzern Monsanto hat in Paraguay einen außerordentlichen politischen Einfluss gewonnen. In einer als „parlamentarischen Putsch“ bezeichneten Aktion wurde im Jahr 2012 der progressive Präsident Lugo seines Amtes entholben. Er hatte unter anderem versucht, eine kritische Pflanzenschutzbehörde aufzubauen, den Einfluss von der Sojalobby, unter anderem von Monsanto, einzudämmen und eine Agrarreform anzustoßen. Wo es bislang nur die Zulassung für Monsantos Roundup-Ready-Sojabohne gab, wurden seit 2012 nun 17 gentechnisch veränderte Sorten zugelassen, sogar ohne die Zustimmung der zuständigen „Nationalen Behörde für Qualität und Gesundheit von Pflanzen und Saatgut“ (SENAVE). Der agrarpolitische Kurs ist pro Industrie und Exporte. Es gibt sogar eine so genannte „Monsanto-Steuer“, die der Konzern auf jede Sojabohne erhält, die das Land verlässt. Der Staat Paraguay erhebt hingegen keine Exportsteuern. Da der Handel von internationalen Konzernen dominiert wird, profitiert der Staat auch nicht von Gewerbesteuern. Wenig der Wertschöpfung aus dem Sojahandel bleibt also im Land.