Das Vorsorgeprinzip und Saatgut-Teilhabe sind in Gefahr!
Zwei wichtige Themen bestimmen aktuell die Debatte: Wie kann gentechnikfreier Anbau geschützt werden? Und wie würde die EU-Pflicht für einen Pflanzenpass den wichtigen Einsatz von Sortenretter:innen gefährden?
Durch die neu veröffentlichte Studie zu neuen biotechnologischen Züchtungsmethoden der europäischen Kommission könnten Transparenz und gentechnikfreie Landwirtschaft gefährdet werden.
Gentechnik − ob alte oder neue − birgt Risiken für Umwelt und menschliche Gesundheit.[1] Die Versprechen in Bezug auf Ernährungssicherung, Anpassung an den Klimawandel und nachhaltigere Produktion sind falsch und führen in die Irre: was es dazu braucht sind vielfältige und angepasste Anbausysteme. Deshalb setzt die bäuerliche Landwirtschaft auf Sortenvielfalt und die Schonung von Ressourcen, anstatt auf ein „weiter-so“ unter dem Deckmantel der neuen Gentechniken. Eine dringende Forderung ist die konsequente Kennzeichnung und Risikobewertung gentechnisch veränderter Organismen. Nur so kann die Möglichkeit gewahrt werden, gentechnikfreie Lebensmittel zu erzeugen. Denn: Auch 80% der Verbraucher:innen lehnen Gentechnik ab.
Welche Konsequenzen drohen?
Die neue Studie der EU-Kommission vom 29. April befindet zwar, dass die neuen Gentechniken (NGT) weiterhin dem Gentechnik-Recht (GVO) zuzuordnen seien, aber denkt offen über eine Anpassung nach.[2]
Eine Anpassung der GVO-Gesetzgebung würde bedeuten, die Risikoabwägung vom jeweiligen NGT-Verfahren abhängig zu machen. Die Kommission kommt zum vorschnellen Schluss, dass einige Verfahren kein höheres Risiko darstellen würden, als herkömmliche, konventionelle Zuchtmethoden.2 Das würde bedeuten, dass einige NGT-Verfahren nicht mehr kennzeichnungspflichtig wären und Landwirt:innen (ungewollt) genetisch verändertes Pflanzgut ausbringen würden. Wissenschaftliche Studien zeigen aber, dass es auch bei den neuen Gentechnik-Pflanzen unerwartete Effekte gibt.[3]
Wird den Empfehlungen der europäischen Kommission nachgegangen, ist das Vorsorgeprinzip getroffen. Dagegen sprechen sich das Umweltministerium und zahlreiche Umweltverbände aus, die für das Beibehalten der strikten Regulierung gentechnisch veränderter Produkte einstehen.[4] Studien belegen sogar, dass selbst sie bisherige Risikoprüfung der EU unzureichend ist, um Auswirkungen auf unser hochkomplexes, dynamisches Ökosystem ausreichend abzuschätzen.[5]
Fest steht, dass eine Anpassung des GVO-Rechts nicht dazu führen darf, dass neue Gentechniken den bisherigen Prüfungen der Risikobewertung, der Zulassung, der Rückverfolgbarkeit und der Kennzeichnung nicht mehr unterliegen. Wir teilen die Erklärung von Felix zu Löwenstein: „Die Forderung, mit der Agro-Gentechnik lieber restriktiver als leichtfertig umzugehen, ist nicht ideologisch, sondern von Vernunft motiviert und entspricht dem Prinzip der Verantwortung.“[6]
Vor diesem Hintergrund wollen wir unsere Wahlfreiheit und das Vorsorgeprinzip für die Sicherheit von Mensch und Natur nicht aufgeben.
[1] Die Grünen/EFA: https://www.greens-efa.eu/files/assets/docs/gmo_study-zusammenfassung-web.pdf [2] Europäische Kommission: https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/plant/docs/gmo_mod-bio_ngt_exec-sum_de.pdf [3] https://www.testbiotech.org/sites/default/files/Zusammenfassender%20Abschlussbericht%20des%20Projektes%20RAGES.pdf [4] Bundesumweltministerium: https://www.bmu.de/faqs/gentechnik-in-umwelt-und-natur-positionen-des-bundesumweltministeriums/ [5] https://www.testbiotech.org/sites/default/files/Zusammenfassender%20Abschlussbericht%20des%20Projektes%20RAGES.pdf [6] Felix zu Löwenstein in Food Crash (2017): S. 166
In der aktuellen Debatte um einen allgemeinen Pflanzenpass bedrohen die sich anbahnenden Verpflichtungen die wichtige Arbeit von Saatgut-Erhalter:innen.
Da auch Pflanzen von übertragbaren Krankheiten befallen werden, sollen Pflanzenpässe mögliche Infektionsträger nachverfolgbar machen.[1] Diese Maßnahme der EU soll der Nachverfolgbarkeit bei Ausbreitungen dienen, würde aber Erhalter:innen enorm belasten, die zumeist als Kleinproduzent:innen von Saat- und Pflanzgut aktiv sind. Die geplanten finanziellen und bürokratischen Hürden könnten laut den engagierten Saatgutretter:innen der Saatgutkampagne „die Erhaltungsarbeit behindern oder bar verhindern“.
Derzeit läuft ein Evaluationsverfahren der EU zu den Auswirkungen der Verordnung. Saatguterhalter:innen und Kleinproduzent:innen werden dabei jedoch nicht adressiert. Die Saatgutkampagne schreibt dazu: „Ganz offensichtlich blendet die Umfrage aus, dass es auch nichtprofessionelle Produzent*innen von Saatgut gibt, die von den Regulierungen getroffen werden.“ Diese „ärgerliche Blindheit der EU“ könnte also dazu führen, die „Hürden für unabhängige Saatgut-Produzent*innen und für Erhalter*innen zu erhöhen, um die Marktanteile der Konzerne zu sichern.“
Die Sortenerhalter:innen brauchen jetzt unsere Unterstützung! Deshalb haben wir uns einem Schreiben des Dachverbands für Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt an die Kommission angeschlossen. Wir fordern, die Arbeit von Sortenerhalter:innen wertzuschätzen und ihr wichtiges Engagement für den Erhalt der Sortenvielfalt nicht zu blockieren.
[1] EU-Verordnung 2016/2031: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32016R2031&from=DE#d1e4620-4-1
Mehr Infos und Handlungsanregungen gibt es auf der Seite des Dachverbands für Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt und im neuen Newsletter der Kampagne für Saatgut-Souveränität.
Jetzt aktiv werden:
Postkarten-Aktion an die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
Die EU will Europa nachhaltig ausrichten. Das lässt sich aber nicht durch Risikotechnologien wie Gentechnik erreichen.
Mit der Postkarte könnt ihr deshalb Ursula von der Leyen deutlich machen, dass ihr ein klares Signal erwartet:
- für die Gentechnikfreiheit
- für die Wahlfreiheit von Verbraucher:innen und Erzeuger:innen
- für Transparenz und Risikoprüfung von Gentechnik – auch der neuen Gentechnik
- gegen einen Freifahrtschein für die Gentechnik-Lobby
- für ein Freisetzungsverbot von Gen-Drive-Organismen
- für die Regulierung der neuen Gentechniken als Gentechnik
(Hinweis: Unsere Postkarten-Vorräte sind leider aufgebraucht. Aufgrund der aktuellen Dringlichkeit könnte in Kürze eine Neuauflage auf den Weg gebracht werden.)

Bündnis-Petition für ein globales Moratorium auf Gene Drive Organismen
Gemeinsam können wir der Petition für ein globales Moratorium auf Gene Drive Organismen Nachdruck verleihen. EU-weit haben schon über 290.000 Menschen unterzeichnet und es liegt an uns, den Druck auf die (zukünftige) Bundesregierung zu erhöhen.
Ein EU-weites Bündnis sammelt die Unterschriften. Das Ziel bis zum Herbst ist es, 320.000 Unterschriften zu erreichen! Diese sollen zur UN-Biodiversitätskonvention in Kunming, China im Oktober 2021 an die Deutsche Bundesregierung und weitere europäische Minister*innen übergeben werden.

Warum gegen die Freisetzung von Gene Drive Organismen unterschreiben?
Gene Drive Organismen sind die vielleicht gefährlichste Anwendung von Gentechnik, die bisher entwickelt wurde: Mithilfe neuer gentechnischer Verfahren wie CRISPR/Cas9 kann das Erbgut von Lebewesen grundlegend verändert und können die natürlichen Vererbungsregeln außer Kraft gesetzt werden. So lassen sich wildlebende Arten gentechnisch verändern, ersetzen oder gar ausrotten. Die Freisetzung von Gene Drive Organismen in die Natur wäre nicht rückholbar und höchst riskant. Im schlimmsten Falle könnte sie das Artensterben beschleunigen und zum Zusammenbruch ganzer Ökosysteme führen.
Gemeinsam mit der Bündnis-Kampagne “Gene Drives stoppen” fordern wir von der deutschen Bundesregierung und dem EU-Ministerrat, sich innerhalb der EU und bei der kommenden Vertragsstaatenkonferenz der UN Biodiversitätskonvention im Herbst 2021 dafür einzusetzen, erste Freisetzungen von Gene Drive Organismen in die Natur verhindern.
Zur Petition und weiteren Infos über Gene Drives: https://www.stop-genedrives.eu/petition/