Wie TTIP die Agrarwende gefährdet

 

Die Handelsabkommen CETA und TTIP zerstören bäuerliche Landwirtschaft

Wenn CETA und TTIP kommen, wird es eng für eine Agrarwende hin zu ökologischerer und sozialer bäuerlicher Landwirtschaft. Ein Industrialisierungs-Turbo ist zu befürchten, wenn zur schon jetzt problematischen Export- und Billig-Strategie des Deutschen Bauernverbandes das transatlantische Handelsfieber dazu kommt. Die Gefahr wächst für die Ernährungs-Souveränität, die bäuerliche Landwirtschaft, die Qualität der Böden, das Grundwasser und die Artenvielfalt auf dem Lande. Es geht damit um unsere Lebensgrundlagen.

Es werden immer mehr: Im Oktober 2015 demonstrierten in Berlin schon über 250 000 Menschen für einen gerechten Welthandel, die Wir haben es satt! – Bewegung wehrt sich seit Jahren gegen Tierfabriken und Pestizid-Missbrauch, gegen eine Agrarpolitik zu Gunsten der größten Betriebe und die ungebrochene Folge an Lebensmittel-Skandalen. Es sieht nicht gerade rosig aus in der Landwirtschaft hierzulande, weder aus Verbraucher/innen- noch aus Bäuer/innen-Perspektive. Von den Höfen hören wir schlimme Berichte über Banken, die nur noch mit Krediten versorgen wollen, wer mitrennt im Hamsterrad der billigen Massenproduktion. Das Höfesterben geht unvermindert weiter, allein zwischen 2000 und 2013 gaben 4/5 der schweinehaltenden Betriebe in Deutschland auf, die Zahl der hier lebenden und geschlachteten Schweine stieg in der gleichen Zeit aber massiv an auf mittlerweile rund 60 Millionen Tiere pro Jahr.

Die Landwirtschaft in den USA ist heute noch stärker dem Markt ausgeliefert, die einzelnen Farmen sind noch konsequenter auf Massenproduktion ausgerichtet als in der EU. Noch weit größer als die Agrarflächen in Ostdeutschland sind die US-Agrarbetriebe, die mit gigantischen Maschinen und mit gentechnisch manipulierter Saat versuchen, den fragwürdigen Anspruch, »America feeds the world«, in die Tat umzusetzen. Mit diesem Spruch weisen die Agrarchemiekonzerne und viele US-Farmer die Kritik ihrer Landsleute zurück. Kommen TTIP und CETA, treten die Größten gegeneinander an, Fleischkonzerne aus den USA und aus Europa, um die herum die kleinen Erzeuger keine Chance haben. Diesseits wie jenseits des Atlantiks käme es aber darauf an, dem Wettlauf nach Größe den Kampf anzusagen. In Deutschland schlachten heute die drei größten Schlachtkonzerne Tönnies, Vion und Westfleisch über 60% der Schweine, in den USA sind es vier Konzerne, die 65% des Schweinemarktes unter sich aufteilen.

Ein Verhandlungsthema werden Zölle sein. Zwischen den USA und Europa sind sie im Agrarbereich noch relevant. Fallen die Zölle, so wird es schwieriger, den Binnenmarkt zu schützen. Aber um des Klima- und Grundwasserschutzes willen, aus der Perspektive nachhaltiger regionaler Kreislaufwirtschaft und insgesamt sozialer und ökologischerer Zukunftsmodelle für die Landwirtschaft ist der Binnenschutz notwendig. Wir dürfen nicht zuschauen, wie die massive Produktionssteigerung verschuldete Bauern zu Spielbällen des Weltmarktes macht, den sie sich nicht hätten antun müssen. Wenn CETA und TTIP den transatlantischen Agrarhandel weiter verschärfen, könnte es zu spät sein, zukunftsfähige Alternativen zum heutigen Modell einzufordern.

TTIP untergräbt Verbraucherschutz in der Landwirtschaft

Die Wunschzettel der Lobbyisten der Agrarindustrie zu den Freihandelsabkommen sind eine Kampfansage gegen Verbraucherschutz und Ernährungssouveränität. Gerne würden US-Konzerne Hormon- und Klonfleisch, Gentechnik und das viel genannte Chlorhuhn in Europa auf den Markt werfen. In die erste Auflage des TTIP wird es dazu nicht kommen, aber ein verschärfter Preiskampf und Hintertüren im Abkommen, wie die regulatorische Kooperation und Konzernklagerechte könnten für Verbraucher/innen fatale Folgen haben.

Die Brüsseler Organisation Corporate Europe Observatory bewies: Keine andere Branche brachte nur annähernd so viele Lobbyist/innen zum Thema TTIP auf die Beine wie die Agrarindustrie. Sie fordern zum Beispiel für den Export von Schweinefleisch aus den USA nach Europa das Ende des gültigen Verbotes von Wachstumshormon-Präparaten. Sie wollen Fleisch von geklonten Rindern und Schweinen oder gentechnisch veränderte Pflanzen in der EU verkaufen dürfen.
Das viel zitierte Chlorhuhn gehört auch in diese Reihe, ist doch das Desinfizieren toten Geflügels im Chemikalienbad eine Methode, die eine enorme Geschwindigkeit beim Schlachten in Riesenanlagen ermöglicht. Das verwendete Chlordioxid ist in der EU für den Einsatz am Fleisch bisher verboten (gigantische Tierfabriken und Schlachtanlagen, die 27.000 Hühner pro Minute töten und zerlegen können, leider nicht). Die Agrarindustrie setzt auf die Abkommen, um diese »Handelshemmnisse« abzuschaffen. Wahrscheinlich bekommt sie ihren Willen noch nicht mit dem ersten Vertragstext des TTIP. Zu kritisch ist die öffentliche Aufmerksamkeit. Kommt aber der umfassende Investorenschutz und eine laufende Fortschreibung des Abkommens oder wird bei jedem neuen Gesetz das Votum von Wirtschaftsvertreter/innen eingeholt, werden Agrar- und Lebenmittelindustrie jede Gelegenheit nutzen, ihre Interessen durchzusetzen.

Die Bewegung für eine gentechnikfreie bäuerliche Landwirtschaft hat in Europa einige wichtige Erfolge erstritten. Zum Beispiel die europäische Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Bestandteile von Lebensmitteln. Sie war auf Druck der Gentechnikbefürworter/innen von Anfang an lückenhaft, denn sie gilt nicht für Eier, Milch und Fleisch. Tiere werden in Deutschland in konventionellen Betrieben seit Jahren fast durchweg mit gentechnisch verändertem Futter versorgt. Im Rahmen der TTIP-Verhandlungen gerät aber die gesamte Kennzeichnungsverordnung in Gefahr, denn die Gentechnik-Konzerne wissen, dass ihnen jede Kennzeichnung den Verkauf erschwert.

Ein großes Ärgernis aus der Sicht der Gentechnik-Konzerne wie Monsanto (USA), Bayer (Deutschland) und Syngenta (Schweiz) ist der eingeschränkte Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Die begutachtende Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stellt sich der Genehmigung selten in den Weg. Manipulierte Sorten wie der Genmais 1507 bekommen bei uneindeutiger Abstimmung der europäischen Mitgliedsländer meistens das grundsätzliche Okay von der EU-Kommission. Aber seit Anfang 2015 können danach einzelne Mitgliedsländer doch noch ein Verbot des Anbaus festlegen. Das Hin und Her und die Einzelverbote könnten Jurist_inen der Konzerne ein weites Betätigungsfeld eröffnen, wenn das Freihandelsabkommen ihnen weitreichende Klagerechte zugesteht.

Jetzt TTIP und CETA zurück zu weisen, ist Voraussetzung dafür, dass wir künftig gesunde, vielfältige und nicht-manipulierte Lebensmittel haben werden und diesen Bereich demokratisch gestalten können. Unser Ziel ist der gemeinsame Protest von Verbraucher_innen und Erzeuger_innen gegen das weitere Vordringen der Agrarindustrie und die gemeinsame Gestaltung von Alternativen wie den Gemeinschaftshöfen der Solidarischen Landwirtschaft. Diese Bewegung trägt auch dazu bei, den zerstörerischen Einfluss der Agrarindustrie auf die Länder des globalen Südens einzuschränken und dort Ernährungs-Souveränität zu ermöglichen.

 


Quellen stellen wir gerne auf Anfrage zu Verfügung.
Bild: Jed Sullivan / cc