Wie Böcke sich zu Gärtnern machen

Dieser Beitrag ist unser erster zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU wird garantiert nicht der letzte sein. Im Agrar-Ausschuss in Brüssel wird gerade heiß diskutiert, wer das alles so kompliziert gemacht hat – und dabei fliegen einige Nebelkerzen. Das nervt.

Hart umkämpftes Geld für Weltmarkt – oder Wochenmarkt

Die Europäische Union nimmt viel Geld in die Hand für die sogenannte „Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)“. Diese Mittel stellen den Großteil des gesamten Budgets der EU und einen relevanten Teil des Einkommens der landwirtschaftlichen Betriebe dar. Sie sind naheliegender Weise hart umkämpft.
Das Geld würde ausreichen, die Ziele der Agrarwende umzusetzen, wenn seine Vergabe an bäuerliches Handeln für Menschen und Umwelt orientiert wäre und gebunden an wirksame Naturschutzmaßnahmen, echte Fruchtfolgen, eine flächengebundene und artgerechte Tierhaltung und minimierten Einsatz von Spritzmitteln und künstlichem Dünger.
Alle sieben Jahre entscheidet die EU über ihren „mehrjährigen Finanzrahmen“ und verhandelt dabei auch über die Auflagen für Bezieher von Agrarsubventionen. Der aktuell gültige Finanzrahmen reicht von 2014-2020 und sieht für die Agrarpolitik insgesamt etwas über 408 Milliarden Euro vor.
Obwohl in Umfragen die Mehrheit der EU-Bürger*innen fordern, die Zahlung an konkrete Umweltmaßnahmen und eine ökologischere Landwirtschaft zu knüpfen, verstanden es die mächtigen Bauernverbände und die Agrarindustrie bisher, wirkliche Veränderungen zu verhindern. Nach wie vor geht der größte Teil des GAP-Geldes (312,7 Mrd. €) in Form von Direktzahlungen an die Betriebe. Fast alles ist schlicht an die Flächengröße gebunden, das heißt: Wer viel Land hat, kassiert viel, und kleinere Betriebe werden strukturell benachteiligt.

Doppelzüngige Bürokratiekritik

Aktuell geißelt der Deutsche Bauernverband an vielen Orten die Bürokratie der EU. Das können viele Bäuerinnen und Bauern unterschreiben, die mehr Zeit als wünschenswert am Schreibtisch verbringen. „Bürokratie“ war wohl auch der meist genutzte Kampfbegriff der Bauernverbands-Redner*innen bei der Agrarministerkonferenz in Bad Homburg.
Doch wie konnten die komplizierten Regelungen in der letzten großen Verhandlungen, vor allem im Jahr 2013, Eingang finden? Hier zeigt sich: der Bauernverband und etliche seiner Verbündeten auch im Agrarausschuss sind eher Böcke als Gärtner. Zunächst hatte nämlich der damalige EU-Agrarkommissar Ciolos,eine ganze Menge klarer Vorgaben für die Agrar-Subventionen vorgeschlagen. Dazu gehörte die Einführung des sogenannten „Greenings“, einer Liste von geforderten umweltschonenden Maßnahmen, an die ein Teil der Direktzahlungen gekoppelt sein sollten.
Was im Vorschlag des Kommissars Ciolos noch ziemlich klar und einfach war, wurde dann durch die Gegenwehr der heutigen Bürokratie-Kritiker verkompliziert. Aus der ökologisch und ackerbaulich sinnvollen Vorgabe einer Fruchtfolge wurde eine aufwändig gestaltete „Fruchtartendiversifizierung“, die praktisch nichts mehr bringt, außer bürokratische Mühen. Ökologische Vorrangflächen wollte der Kommissar – ein Schatten dieser Idee blieb übrig, mit einer komplizierten Menü-Liste. Andere wichtige Vorschläge wurden der Regelung der Länder überlassen – wo vielfach neue aufwändige Konstrukte entstanden, die fast überall wenig für den Umweltschutz zu bieten haben.

Im Rahmen der nun geplanten „Vereinfachung“ könnte der enttäuschende Kurs weg von der Agrarwende für die nächsten Jahre noch bekräftigt werden. Darauf haben wir überhaupt keine Lust. Wir werden den Streit für eine bessere GAP begleiten und mitgestalten und halten Dich weiter auf dem Laufenden.

© Bild: TaxRebate.org.uk / CC – Inhalticher Hinweis: Martin Häusling, MdEP

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Jutta Sundermann

Wollte Aktion Agrar eigentlich „KuhRage“ nennen und wohnt in einem blauen Bauwagen auf dem Lande.

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