Höfe retten – Kühe und Bauern nicht verpulvern!
Zusammenfassung unserer Kampagne von 2016
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Zeitstrahl der Kampagne und unserer Aktionen

Milchkrise: Warum unsere Bäuer*innen auf der Strecke bleiben
Seit Monaten bekommen Bäuerinnen und Bauern für einen Liter Milch bis zu 20 Cent weniger von den Molkereien, als sie eigentlich benötigen um ihre Kosten zu decken. Das heißt, dass viele Betriebe für die Tierhaltung, also für das Melken, für die Entlohnung ihrer Angestellten etc. deutlich mehr zahlen, als sie durch den Verkauf der Milch erwirtschaften. Schon seit Jahren gaben Molkereien, Agrarindustrie und Politik den Kurs auf Exporte von Milch und Milchpulver vor mit dem Ziel den Weltmarkt zu erobern. Nach dem Auslaufen der Milchquote im Frühjahr 2015, die Obergrenzen der Produktion festgesetzt hatte, sollte deshalb immer mehr und immer billiger produziert werden. Doch das hat dramatische Folgen und wirft viele grundsätzliche Fragen auf.

Was steht auf dem Spiel?
Die bäuerliche Landwirtschaft
Rote Zahlen und Höfesterben
Die meisten Milchvieh-Betriebe schreiben zurzeit jeden Monat rote Zahlen, manche Bauern beklagen Verluste von vielen tausend Euro. Früher oder später – und vor allem für kleinere Betriebe schon jetzt – kommt die Frage auf, ob sie überhaupt noch weitermachen können. Das Höfesterben passiert immer schneller.
Veränderung der Dörfer und Höfe
Eine Krise wie die jetzige Milchpreiskrise verändert die Dörfer. Mit jedem Hof, der stirbt, geht ein Stück Dorfkultur verloren. Schon seit Jahren versuchen Bauernhöfe, durch größere Kuhherden und größere Milchmengen das Verhältnis zwischen Kosten und Einnahmen zu verbessern. Dies hat allerdings zur Folge, dass die Milchmenge am Markt gesteigert wird. Der Überschuss wird zu Milchpulver verarbeitet und exportiert oder gelagert. In der jetzigen Krise gehen allerdings auch in einigen der ziemlich großen Betriebe die Lichter aus.
Während bei Schweinen und Hühnern die Agrarindustrie sich schon erschreckend weit durchgesetzt hat, stehen die Kühe noch in sehr unterschiedlichen Ställen und zum größten Teil in bäuerlichen Betrieben. Deutschlandweit leben im Schnitt 50 Kühe auf einem Hof (auch wenn der Durchschnittswert in Niedersachsen auf 80 Tiere gestiegen ist). Diese bäuerliche Struktur ist jetzt in Gefahr.
AbL und Umweltverbände warnen vor dem Ende bäuerlicher Landwirtschaft
Seit Jahren stehen sich ziemlich verschiedene Konzepte für die Zukunft der Landwirtschaft gegenüber. Während Bauernverband und Agrarminister vom Weltmarkt schwärmen und im Export große Gewinnperspektiven sehen, warnen die Arbeitsgemeinschaft für bäuerliche Landwirtschaft und verschiedene Umweltverbände vor dem Ende der bäuerlichen Landwirtschaft bei der Kuhhaltung. Die Molkereien, die auf dem Weltmarkt mithalten wollen, müssen sehr billig an Milch herankommen. Ihnen kommt es deshalb zu Gute, wenn die Höfe zu viel produzieren und sie die Preise drücken können. Während die Verzweiflung in etlichen Betrieben steigt, verzeichnen die größten Molkereien nach wie vor hohe Gewinne.
Chance für Umstellung auf Bio-Produktion
Die Biohöfe kommen mit dieser Milchkrise deutlich besser klar als die konventionellen Nachbarn. Sie erhalten eher 20 Cent mehr pro Liter Milch und können damit auch nicht reich werden, aber ihre Kühe über die Runden bringen.
Diese Entwicklung bietet die Chance, dass einige Betriebe mit der entsprechenden Unterstützung auf eine ökologischere Bio-Produktion umstellen und insgesamt regionale Vermarktungsstrukturen verbessern. Aber auch hier gilt es den Bogen nicht zu überspannen und nicht zu viel Milch zu produzieren.
Die Kühe und Tierhaltung
Gespart wird am Tierwohl
Wenn ein ganzer Bauernhof nur noch auf die billigste Produktion setzt, zahlen die Kühe mit ihrer Gesundheit und ihrer Bewegungsfreiheit. Vor allem die Hochleistungsrassen sind auf maximale Milchgewinnung gezüchtet, sie sind krankheitsanfälliger und müssen wie Hochleistungssportler große Mengen von importiertem Eiweißfutter wie Sojabohnen aus Brasilien fressen, was ihrem Wiederkäuermagen nur begrenzt bekommt. Je größer eine Herde und je dringender die Kostenminimierung, desto weniger kommen die Kühe noch raus auf die Weide. Weidehaltung entspricht aber der Kuh am besten, gefördert wird dadurch eine flächengebundene Tierhaltung, die auch aus ökologischer Sicht dringend geraten ist.
Die Menschen in der ganzen Welt
Industrialisierte Kuhhaltung verletzt Menschenrechte.
Zum einen hat der massive Bedarf von Kraftfutter für die Hochleistungstiere die Rodung von Regenwäldern im globalen Süden zur Folge. In vielen Regionen werden Menschen von Flächen vertrieben, die für den Anbau der Futterpflanzen „im Weg“ sind. Angebaut wird dann mit großem Energieaufwand zumeist gentechnisch verändertes Soja, das einmal um die halbe Welt geschippert wird, um in Europa in den Futtertrögen zu landen.
Milchpulver überschwemmt Märkte im globalen Süden
Und die Zerstörung geht weiter in Form des Milchpulvers, das als Vollmilchpulver, als Magermilchpulver und als – vorsätzlich besonders billiges – mit Pflanzenfetten angereichertes Magermilchpulver die Märkte im globalen Süden überschwemmt. Das europäische Milchpulver kann dabei zum Beispiel in westafrikanischen Ländern so billig verkauft werden, dass die dortigen Rinderzüchter keine Chance mehr haben, ihre Milch zu verkaufen.
Die Industriekuh aus Deutschland erzeugt Hunger, Landflucht und Migration vor allem in Südamerika und Westafrika, wo die Situation durch Freihandelsabkommen und die sogenannten European Partnership Agreements (EPAs) noch verschärft wird.
Marktmacht und Ohnmacht
Obwohl vier der fünf größten Molkereien in Deutschland Genossenschaften sind, also eigentlich den Bäuerinnen und Bauern gehören, kritisieren viele Milchviehhalter/innen, dass sie sich als billige Rohstofflieferanten eingeordnet fühlen. Das einzelne Mitglied der Riesen-Genossenschaften hat praktisch keine Chance, bis zur Vorstandsetage durchzudringen.
Die 4 größten Molkereien setzen pro Jahr über eine Milliarde Euro um und sie halten eine Vielzahl an eigenen Marken, die im Supermarkt den Eindruck erweckt, es gäbe viel mehr Milchverarbeiter als das der Fall ist.

Wir fordern:
Sofortmaßnahme
Es braucht Geld für die Bauern, die jetzt freiwillig ihre Milchmengen reduzieren wollen.
Dafür gibt es aktuell eine gute Möglichkeit: Aus dem letzten Jahr der Milchquote (die im Frühjahr 2015 auslief) sind noch viele Millionen Euro der sogenannten „Superabgabe“ da. Es handelt sich dabei um eine Strafzahlung, die Bauern leisten mussten, wenn sie mehr Milch lieferten, als es ihrem Kontingent entsprach.
Allein für Deutschland geht es dabei um eine Summe von über 300 Millionen Euro. Finanziell sollen damit ausschließlich Höfe unterstützt werden, die an einer freiwilligen Mengenreduktion teilnehmen. Dann können sich Preise wieder stabilisieren und die Bauern bald wieder von der Milchproduktion leben.
Fairness und Transparenz
Wenn „fair“ draufsteht, muss auch „fair“ drin sein. Viele Verbraucher/innen wollen bäuerliche Landwirtschaft mit ihrem Einkauf unterstützen, dafür müssen sie aber erstmal wissen, woher die Butter kommt und wie die Milch produziert wurde. Wir fordern eine umfassende Transparenz über die Produkte im Laden. Begriffe wie „regional“ und „Weidehaltung“ sind zu schützen, sodass sie nicht missbräuchlich verwendet werden können.
Tierschutz und Mengenreduktion
Die Kühe müssen auf die Weide! Wir fordern eine Qualitätsoffensive und die Erweiterung von Tierschutz- und Weidehaltungsprogrammen.
Die Agrarförderung durch Bund und Länder ist so auszurichten, dass flächengebundene Tierhaltung und Kreislaufwirtschaft wieder zum Regelfall werden. Jede Kuh muss die Möglichkeit haben, auf der Weide zu grasen. „Flächengebunden“ heißt dabei, dass die Anzahl der Tiere dem Land entspricht, das ihnen Futter liefert und ihren Dünger aufnimmt. Eine Kreislaufwirtschaft, bei der die Ausscheidungen der Tiere die Bodenqualität verbessern und der Boden das Tierfutter liefert, ist innerhalb eines Betriebes möglich, auch innerhalb benachbarter Betriebe. Ziel muss eine regionalere, tiergerechtere und ökologischere Tierhaltung sein.
Abkehr vom Export
Wir fordern den Abschied von der Export-Illusion: Wir brauchen eine bedarfsgerechte Milchproduktion statt Pulver für den Weltmarkt. Milchpulver wird als anonymes Massenprodukt auf die Märkte anderer Länder gepumpt und zerstört dort die Landwirtschaft. Die Bundesregierung muss sich auf der EU-Ebene für einen Kurswechsel weg von der Exportorientierung einsetzen. Weder der Export noch die Produktion von Milchpulver darf durch Subventionen gestützt werden. Perspektive statt Pulver!
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18.01.2016
Pulver und Profite – Wer verdient an den niedrigen Milchpreisen?
Die Milchindustrie wird von wenigen Großkonzernen dominiert, die hohe Gewinne erzielen, während viele Bäuer:innen um ihre Existenz kämpfen. Exportorientierte Strategien, Investitionen in Milchpulverproduktion und industrielle Milchverarbeitung verschärfen globale Ungleichheiten und gefährden lokale Landwirtschaft. Der Druck auf Höfe steigt, während Tiere und Betriebe in einem unnachhaltigen Kreislauf gefangen sind.
Die Illusion der Wahl – Im Supermarkt und auf dem Hof
Die bunte Vielfalt der Marken der fünf größten Molkereien in Deutschland zeigt, dass wir beim Einkauf oft nur glauben, zwischen einer großen Vielfalt auswählen zu können. Hinter so vielen Milchprodukten stehen die hochindustrialisierten fünf Mega-Molkereien DMK, Arla, Friesland-Campina, Müller und Hochwald.

Gewinne für Großmolkereien? Existenzängste auf den Höfen
Während unter den Landwirten inzwischen ein leidenschaftlicher Streit entbrannt ist, ob den Export-Versprechungen der Molkereien noch zu glauben ist und sie oft um ihre Existenz zu kämpfen haben, können die großen Molkereien teilweise hohe Gewinne verbuchen. Bäuerinnen und Bauern berichten zugleich davon, dass sie von ihrem Hof aus nur eine sehr eingeschränkte Wahl haben, an wen sie ihre Milch liefern. Die Großmolkereien wissen das und nutzen ihre Marktstellung aus. Wer die niedrigen Preise kritisiert, hat eine schwache Position, wenn die nächste Molkerei zu weit entfernt liegt und keine Transportmöglichkeiten bestehen.
Von Genossenschaften zu Milliardenkonzernen
Obwohl vier der fünf größten Milchkonzerne Genossenschaften sind, stellen sie sich längst nicht mehr als Unternehmen in der Hand der Bauern dar. Es sind international agierende Konzerne mit Milliardenumsätzen. In einer Genossenschaft hat ein Vorstand weitreichende Entscheidungskompetenzen. Er kann zwar von seinem Aufsichtsrat entlassen werden, aber in diesen Gremien sitzen bei den großen Molkereien auch Vertreter der größten Höfe und besonders starke Exportbefürworter/innen.
Verzahnungen und Macht
Die Molkereien sind selbst assoziierte Mitglieder des Deutschen Bauernverbandes und es gibt eine ziemlich enge Verzahnung zwischen den Spitzenfunktionären des Verbandes und den Konzernen. Wer das weiß, wundert sich wenig über die Strategien aus dem Verband, die schon zur Gründung des Bundesverbandes der Deutschen Milchviehalter (BDM) führte, weil sich viele Milchbäuer/innen nicht mehr vertreten fühlten. Dazu passt, dass mitten in der Milch-Krise 2015 der Vizepräsident des niedersächsischen Landvolks (Landesverband des DBV) Heinz Korte zur Mega-Molkerei DMK, dem Deutschen Milchkontor wechselte. Der Bundes-Vize des Bauernverbandes Udo Folgart ist zugleich Präsident des Deutschen Nationalkomitees im internationalen Milchwirtschaftsverband IDF, dem Verband der Deutschen Milchwirtschaft e.V..
Der Milchpulver-Teufelskreis – wie kommen Kühe und Bauern aus dem Hamsterrad heraus?

Milchpulver-Skandal in China: Europas Exportträume wachsen
2008 hatte der große Milchpulver-Skandal in China die Eltern im fernen Osten aufgewühlt: Nachdem viele Kinder erkrankten und einige starben, stieg das Interesse an europäischen Babynahrungs-Produkten sprunghaft an. Insgesamt stieg der Verzehr tierischer Produkte in der Volksrepublik mit zunehmendem Wohlstand in Teilen der Bevölkerung. Unter anderem darauf bauten Politik und Großmolkereien ihre Export-Hoffnungen.
Ende der Milchquote: Hoffnungen, Risiken und globale Träume
Das Auslaufen der Milchquote in Europa im Frühjahr 2015 hatte einen langen Vorlauf, den viele Milchviehhalter/innen nutzten, um ihre Bestände zu erhöhen. Um auf jeden Fall gut aufgestellt zu sein, wenn niemand mehr die Milchmengen begrenzte, nahmen sie auch die Superabgabe in Kauf und steigerten die Produktion schon vor dem Ende der Quote. Die Banken gaben Kredite für größere Kuhställe denn je. Wer mit seinem Betrieb so ins Risiko geht, klammert sich besonders an die Hoffnung nach dem Milchdurst in der ganzen Welt.
Warnungen vor globalem Teufelskreis
Die Warnungen gab es auch schon früh: Weltmarktpreise schwanken und liegen meistens deutlich unterhalb der Grenze, an der die EU Handlungsbedarf zur Rettung der Bauern sieht. Der Teufelskreis wird besonders teuflisch, wenn sich zeigt, dass das plötzlich massenhaft zum Export bereit stehende Milchpulver schwächere Märkte überschwemmt und Milchviehhaltern z.B. in Westafrikanischen Ländern die Chance nimmt, ihre gute regionale Milch zu verkaufen.
Die heutige Hochleistungskuh schafft nur 3-4 Jahre
Während 1950 die Milchkühe etwa 3302 Kilogramm Milch im Jahr gaben, waren es im Jahr 2000 schon 6537 Kilogramm. Gleichzeitig hält die heutige „Hochleistungskuh“ diese Leistung nur noch 3-4 Jahre durch und wird dann geschlachtet. In dem Buch „Die Wegwerfkuh“ schildert die Journalistin Tanja Busse diese Problematik eindrücklich. Wer allein auf die Zahlen schaut, mag eine Effizienz-Steigerung sehen. Wer aber mit einer Herde, die über mehrere Generationen hinweg im Stande war eine Bauernfamilie zu ernähren, versucht noch über die Runden zu kommen, kann das ohne starke und treue Kundschaft und das richtige Direktvermarktungsprinzip kaum schaffen. Das Tempo, in dem sich der teuflische Kreislauf dreht, ist noch höher geworden in den letzten zwei Jahren. Es bleiben immer mehr Höfe auf der Strecke. Weltweit.
Lesen Sie mehr dazu im Sachcomic „Mensch. Macht. Milch.“ von Germanwatch.
Billigmilchpulver: Gefahr für lokale Landwirtschaft in armen Regionen
Bedenklich ist, dass auch in Deutschland neue Produktionsstätten dazu gekommen sind, in denen das weniger wert- und gehaltvolle Magermilchpulver (das nach dem Herstellen von Butter oder Sahne aus der restlichen Milch gewonnen werden kann) mit Pflanzenfett zu einem Billig“voll“milch-Pulver angereichert wird. Das ist ein Produkt, was auch für untere Preissegmente und für den Export in besonders arme Regionen geeignet ist. Dort nimmt es den einheimischen Milchviehhalter/innen die Chance, von ihrer Landwirtschaft zu leben.
Der Milchpulver-Boom- Millioneninvestitionen in neue Produktionstürme
Im Milchpulver-Rausch haben sehr viele Molkereien tief in die Investitionskassen gegriffen und für Millionen neue oder vergrößerte Milchpulver-Türme errichtet. Der Umsatzkönig in Deutschland, das Deutsche Milchkontor, verbaute in Zeven 60 Millionen Euro, um künftig 600 Millionen zusätzliche Kilo Rohmilch zu dem weißen Pulver zu verarbeiten. Einige der neuen Türme sind auf Babymilchpulver spezialisiert, andere kommunizieren auf futuristischen Internetseiten moderne Produkte auf der Basis getrockneter Milch.

26.01.2016
Wachstum und Welthandel – Milchpulver für die Welt
Was hat die Milch mit dem Wachstum zu tun?
Für Molkereien – alles! Die großen Molkereien in Deutschland und Europa stehen im ständigen Wettbewerb miteinander und sehen sich auch als starke Akteure auf dem Weltmarktakt.
Auf der Seite www.milchindustrie.de veröffentlicht der Branchenverband regelmäßig die TOP 10 und TOP 20-Listen für Deutschland, Europa und die Welt. Danach kommen die drei größten Molkereien der Welt aus Europa (Nestlé aus der Schweiz, Lactalis und Danone aus Frankreich). Die umsatzstärksten Molkereien in Deutschland – Arla, Friesland Campina, Deutsches Milchkontor und Müller – sind alle in den TOP 20 der Welt zu finden.
10.03.2016
Milchkrise: Schaffen wir das, oder wird Deutschland bauernfrei?
10.03.2016
2015 schlossen 3 214 Milchviehbetriebe für immer ihre Türen. Das macht acht pro Tag. Allein im Milchland Niedersachsen fehlten den Betrieben letztes Jahr über 600 Mio. Euro an Einkommen. Bundesweit werden die Verluste auf 6 Mrd. Euro geschätzt.
Aktion Agrar und Attac fordern eine Abkehr von dieser zerstörerischen Exportpolitik.
Keine Trendwende in Sicht
Und auch nach einem desaströsen Milchkrisenjahr 2015 ist leider immer noch keine Entspannung in Sicht. Die Preise für Milch sind weiterhin im Keller von 22,1 Cent, 23 Cent unter Produktionskosten. Die Deckung der laufenden Kosten und die Zahlung der Arbeitskräfte ist für die Betriebe nahezu unmöglich. Rücklagen von den Vorjahren und Einnahmen aus anderen Betriebszweigen helfen nur bedingt. Die Lebensunterhalte der Bäuerinnen und Bauern werden zur Zeit über Kredite finanziert und die Schuldenberge häufen sich an. Mittlerweile haben die Preise die EU-Interventionsmarke unterschritten, mit EU Geldern wird also nun Milchpulver gekauft und eingelagert. Eine Trendwende ist noch nicht abzusehen.
Export statt Reform? Debatten um die Zukunft der Milchpolitik
Über mögliche Auswege wird derzeit viel in Berlin und auch Brüssel debattiert. Nächste Woche trifft sich der EU-Agrarministerrat zu weiteren Beratungen und ein buntes Potpourri aus Vorschlägen tritt zu Tage:
Die Rufe nach kurzfristigen Finanzspritzen, Liquiditätshilfen und -bürgschaften werden immer lauter, vor allem von der CDU und vom Deutschen Bauernverband (DBV). Der fordert ebenso eine „stärkere Erschließung von Absatzalternativen in wertschöpfungsstarken Drittländern“, kurz: noch mehr Exporte von billigem Milchpulver, um ausländische Milchviehbetriebe zu unterbieten. Dafür nötig wären seiner Meinung nach der Abbau von „Handelshemmnissen“, sowie die Vergabe von Exportkrediten- und -bürgschaften. Minister Schmidt hat bereits mit der Ernennung eines weiteren Exportbeauftragten reagiert. Bürokratieabbau und Steuererleichterung stehen genauso wie Änderung der Vorschriften im Bau-, Natur- und Umweltrecht auf der Wunschlisten von DBV und CDU.
Lebensmittelhandel in der Hand von fünf Konzernen
Die schlechte Verhandlungssituation von Molkereien gegenüber dem konzentrierten Lebensmittelhandel in der Hand von fünf Konzernen (Aldi, Edeka, Rewe, Metro und die Schwarzgruppe) sehen viele als eine wesentliche Ursache für die niedrigen Preise. Erst kürzlich hatte die Lebensmittelkette Norma ihr Butterpreise drastisch gesenkt. Dass eine Mengenreduzierung nicht nur die Preise stabilisieren, sondern auch die Verhandlungsmächte verschieben würde, scheinen bisher allerdings nur der Bundesverband Deutscher Milchviehalter (BDM) und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft erkannt zu haben.
Milchexport an ärmere Länder
Während sich die Bundesregierung klar gegen staatliche Eingriffe in die Produktionsmengen ausspricht, ist Vergleichbares bereits auf Molkereiebene geschehen. Die Molkerei Friesland Campina zahlt jenen Betrieben, die ihre Liefermengen drosseln, zwei Cent pro Liter mehr. Die grünen Agrarminister*innen der Länder fordern ein Sofortprogramm von der Bundesregierung, die diese zwei Cent der Molkereien verdoppelt. Auch der französische Agrarminister hat bereits einen ähnlichen Vorschlag an den EU-Agrarrat herangetragen. Doch anstatt die Überproduktion abzubauen, setzt die EU-Kommission mit Agrarminister Hogan weiterhin auf Wachstum und Export. In den vergangen Jahren sind die Exporte von Milchpulver nach Sub-Sahara-Afrika um 20 % gestiegen und viele europäische Molkereien investieren aggressiv in die Molkereiwirtschaften von Ländern wir Nigeria, Ghana oder Burkina Faso. Anstatt mit Qualität und regionaler Vermarktung Perspektiven zu schaffen, liegt größeres Interesse daran, diese Milchkrise an ärmere Länder zu verkaufen.
23.03.2016
Der Schwarze Peter liegt nicht allein im Kühlregal
Der deutsche Bauernverband (DBV) hat für den heutigen Mittwoch in vielen Städten Protest-Aktionen gegen die Niedrigpreisstrategie der großen Supermarktketten angekündigt. Die hohe Marktkonzentration im Lebensmitteleinzelhandel und die daraus entstehende starkte Verhandlungsmacht gegenüber Bäuerinnen und Bauern macht der DBV für die anhaltende Preiskrise verantwortlich.
05.04.2016
Leere Gummistiefel mahnen Höfesterben
Diesen Freitag stehen hunderte von leeren Gummistiefeln vor dem Landwirtschaftsministerium in Schwerin. Sie erinnern an die 3.200 geschlossenen Höfe im Jahr 2015 und mahnen, welch enormer Verlust an Dorfkultur und bäuerlicher Landwirtschaft bereits zu beklagen ist.
Die Entwicklungen auf vielen Höfen in Deutschland sind dramatisch. Die Erzeugerpreise für Milch und Schweinefleisch decken bei weitem nicht die Kosten. Bäuerinnen und Bauern können ihre Rechnungen für Futter, Saatgut und Pachten nicht mehr bezahlen – es drohen ein Strukturbruch in der Landwirtschaft und eine lange ungekannte Wertevernichtung in den ländlichen Gemeinden.
Alle müssen ihre Verantwortung wahrnehmen: Die Bauern, die Molkereien, die Lebensmittelketten und die nicht zuletzt die Politik, die sich von der ignoranten Krisenmoderationsrolle und der Exportfixierung verabschieden und Rahmenbedingungen neu setzen muss. Ein Weiter-so ist keine Alternative, aktives Handeln für eine gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft ist gefragt.
Gemseinsam mit globalisierungskritischen Netzwerk Attac und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) laden wir zu dieser Aktion mit anschließender Pressekonferenz ein. Los geht’s um 8.45 Uhr am Paulshöher Weg 1 in Schwerin.

Danach findet die Pressekonferenz von 10.00 – 11.00 Uhr im Raum der Landespressekonferenz in Schwerin, Schloss Südeingang statt.
Thema: Höfesterben und Wertevernichtung stoppen – jetzt handeln.
Auf dem Podium:
Martin Schulz, NEULAND-Bauer und AbL-Bundesvorsitzender
Ottmar Ilchmann, Milchbauer und stellvertretender AbL-Bundesvorsitzender
Franz-Joachim Bienstein, Ackerbauer, AbL-Landesvors. Mecklenburg-Vorpommern
Jutta Sundermann, Aktion Agrar / Attac, Kampagne „Kühe und Bauern nicht verpulvern“








03.05.2016
Neue Abgründe in der Milchkrise
Die Discounter Aldi und Norma bieten seit dieser Woche einen Liter H-Milch für unglaubliche 46 Cent an. Auch Butter, Sahne und weitere Milchprodukte sind nochmal günstiger geworden. Andere Handelsketten werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nachziehen. Dies ist ein Schritt mit fatalen Folgen für viele Bäuerinnen und Bauern und ein weiteres Zeichen für die desaströse Lage in der Landwirtschaft. Dabei wächst überall wächst die Erkenntnis, dass jeder Tag zählt, um die Bauernhöfe zu retten und dass es viel Bereitschaft gibt, die Bäuerinnen und Bauern zu stärken.
Die Discounter begründen ihre Entscheidung mit dem aktuellen Überangebot von Milch auf dem Markt, für das sie ihrer Sicht nach keine Verantwortung tragen. Das ist eine Farce. Denn diese Dumpingpreise heizen das Hamsterrad der Billigproduktion weiter an. Viele Milchbetriebe sehen keine andere Möglichkeit, als über die Menge zu versuchen, ihre Verluste zu minimieren.
Der Einzelhandel ist vielleicht nicht direkt für das Überangebot an Milch verantwortlich, hier tragen die Bundesregierung, deutsche Molkereien und Bauernverband einen großen Teil der Verantwortung, doch er gießt mit seiner Preispolitik massenhaft Öl ins Feuer. Eine Preispolitik die obendrein nur durch die starke Konzentration am Markt möglich ist. Vier Konzerne, Edeka, Aldi, Rewe und die Schwarz Gruppe (Lidl) kontrollieren 85 % des Lebensmitteleinzelhandels.
Wir müssen das Hamsterrad der Billigproduktion, des Wachse oder Weiche, zum Anhalten bringen, statt es mit Dumpingpreisen und Freihandelsabkommen weiter anzuheizen.


23.05.2016
Ein Milchgipfel ohne Milcherzeuger
Der von Agrarminister Schmidt auf kommenden Montag angesetzte Milchgipfel findet sowohl ohne den „Bundesverband Deutscher Milchviehhalter“ (BDM), als auch ohne die „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ (AbL) und die Länderagrarminister statt. Alle drei hatten sich in den vergangenen Monaten kritisch gegenüber Schmidts Krisenmanagement geäußert und eine Reduzierung der Milchmenge auf dem Markt gefordert, die sich gegen seine Exportpolitik richtet
Auf dem kommenden Gipfel sind dem Minister wohl nur Ansichten willkommen, die seinen eigenen ähneln. Neue Lösungen oder gar eine Trendwende in dieser seit über einem Jahr andauernden Milchkrise sind daher nicht zu erwarten. Die Gäste, der Deutsche Bauernverband (DBV), sowie Vertreter der großen Molkereien und des Lebensmittelhandels, sind die alten Antreiber einer Politik, unter dem Motto „weiter wie bisher“ die mit Weltmarktorientierung und Dumpingpreisen maßgeblich zur aktuellen Krise beigetragen hat. Doch die Zusammensetzung des Treffens ist bezeichnend für die Lage der deutschen Agrarpolitik: Minister*innen und Agrarindustrielle treffen sich hinter geschlossenen Türen, um über das Sterben von bäuerlichen Betrieben zu beraten. In isolierten Konstellationen wird über Betroffene hinweg entschieden, die sich eine andere Agrarpolitik wünschen. Die bekannte Forderung des DBV an die Agrarwende-Bewegung „Redet mit uns, nicht über uns“, gewinnt hier eine ganz neue Qualität.Doch die betroffenen Kritiker*innen wissen sich zu helfen: Die grünen Länderagrarminister*innen aus Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben sich mit einem offenen Brief an Angela Merkel gewandt, in dem sie erneut ihre Forderungen nach einer politisch geförderten Mengenreduzierung deutlich machen. Im Heimatwahlkreis von Christian Schmidt finden seit Mitte Mai Dauerproteste des BDM satt. Sowohl Niedersachsen als auch Baden-Württemberg laden zu Ländermilchgipfeln ein und am kommenden Montag wird die AbL zusammen mit Aktion Agrar beim Milchgipfel Präsenz zeigen. Zwar vor der Tür, dafür aber umso lauter.





24.05.2016
Milchkrise – was kaufen?
In den letzten Wochen wurden wir häufig gefragt: was können Verbraucher*innen eigentlich gerade tun, um Milchbetriebe zu unterstützen. Die Antwort ist nicht einfach.
Zu Beginn erstmal die ernüchternde Nachricht: Milchbäuer*innen sagen uns, dass individuelle Kaufentscheidungen (und auch Verzicht) gerade sehr wenig bewegen. Nur politische Weichenstellungen und eine Reduzierung der Milchmenge am Markt können jetzt noch Höfe retten. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns mit einem Appell an Agrarminister Schmidt politisch engagieren und auch mal an einer Protestaktion teilnehmen. Zum Beispiel dieser hier…
Natürlich bleibt die Frage: Kann ich zusätzlich was an der Kasse tun, kann ich vermeiden, mit meinem Kauf, etwas noch schlimmer zu machen? Deshalb haben wir hier einige Anregungen und Vorschläge zusammengefasst und freuen uns über weitere Ergänzungen von Euch.
Milch an der Tankstelle
Fangen wir mit dem Besten, der Direktvermarktung an: gibt es vielleicht in Deiner Nähe eine „Milchtankstelle“? Hier kannst Du mit einem eigenen Behälter direkt Milch zapfen. Die Website milchtankstelle.com listet fast 150 Milchtankstellen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden.
Auch der Einkauf auf dem Markt direkt vom Erzeuger ist spitze! Auf vielen Bauern- und Wochenmärkten gibt es Stände mit eigener Milch vom Hof. Ansonsten steht aber zwischen Verbraucher*innen und Bäuerinnen und Bauern die Molkerei.
Bio oder nicht bio?
Biomilch bedeutet weniger Belastung für die Böden, bessere Lebensbedingungen für die Kühe – und im Moment auch weniger Preisdumping für die Höfe. Das hat auch zur Folge, dass hier das Angebot langsam steigt und etliche Betriebe überlegen, ob sie umstellen würden.
Im Sinn der Höfe-Rettung wird in den nächsten Jahren besonders die Milch von Umsteige-Betrieben ein wichtiges Thema sein, denn mindestens zwei Jahre dauert die Umstellungsphase, in der schon höhere Kosten anfallen, aber noch nicht höhere Einnahmen. Für den Milchkauf im Supermarkt gilt: Bio-Milch (Demeter, Bioland oder Naturland) kaufen, ist konsequent. Bei Bio-Eigenmarken beginnt auch schon wieder ein schlimmer Preisdruck (so senkte Aldi gerade die Preise für seine Biomilch ab).
Wenn bio, dann haltet Ausschau nach dem Siegel „Naturland Fair“. Das steht für einen gezahlten Milchpreis, der deutlich über den aktuellen Dumping-Preisen liegt. Weil es vom Bio-Anbauverband Naturland stammt, ist Naturland Fair zugleich ein sehr hochwertiges Bio-Siegel und strenger als das EU-Bio-Siegel. Fairtrade-Produkte wie etwa Gepa-Schokolade verwenden Naturland-Fair-Milch als Zutat.
Im Supermarkt
„sternenfair“ beispielsweise bietet den Landwirt*innen für jeden Liter einen festen Preis, unabhängig von Preisschwankungen im Markt, der aktuell bei 40 Cent liegt. Um Milch als „Sternenfair“ verkaufen zu können, müssen die Bäuerinnen und Bauern sinnvolle Auflagen erfüllen, etwa besseres Futter verwenden und auf Gentechnik und den Einsatz von Glyphosat verzichten. Sternenfair-Milch gibt es flächendeckend bei Rewe in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Hier gibts eine Suche nach Postleitzahlen. Rewe vermarktet regionale Produkte über das „Regionalfenster“.
40 Cent sollen auch diejenigen Bäuerinnen und Bauern erhalten, die ihre Milch unter dem Label „Die faire Milch“ verkaufen. Seit Februar 2013 wird „Die faire Milch“ von einer Molkerei in Sachsen abgefüllt und ist seit März 2013 in verschiedenen EDEKA-Geschäften erhältlich. Kritik von Verbraucherschützer*innen gab es, da nur diejenigen 25 % der Milchmenge, die in der Produktaufmachung verkauft werden kann, mit 40 Cent entlohnt werden. Ob die Milch regional produziert worden ist, kann nicht nachvollzogen werden.
Achtung, Mogelpackungen!
Einige Molkereien sind allerdings auf seltsame Ideen gekommen. So gibt es eine ARLA- Weidemilch, die höhere Qualitätskriterien hat und bessere Preise für die Bäuerinnen und Bauern verspricht. Allein – der Mehraufwand für die Betriebe liegt deutlich höher als der winzige Preisaufschlag. So rettet man keine Höfe.
Für Spezialist*innen
Wenn ihr genau wissen wollt, wo eure Milch herkommt: es gibt einen „Milch-Code“ auf jeder Packung, meistens an der Lasche über der Verschlusskappe, zum Beispiel „DE BY 77723 EG“ oder „AT 30751 EG“. Die zwei Buchstaben zu Beginn geben das Herkunftsland an, etwa DE für Deutschland oder AT für Österreich (Liste). Bei DE-Nummern gibt es zusätzlich Bundesland-Kürzel und die Datenbank des BVL gibt bei Eingabe des Zahlenteils („77723“) im Feld Zulassungsnummer aus, aus welcher deutschen Stadt die Milch stammt.
Mit Siegeln ausgestattet: Naturland, fair und regional
Im Süden Deutschlands sind die Produkte der Molkerei Berchtesgadener Land mit diesem Siegel versehen. „Fair“ meint hier konkret (Stand Mai 2016): Milch von Naturland-Betrieben kauft diese Molkerei für 52,58 Cent pro Liter ein, von Demeter-Betrieben für 53,69 Cent pro Liter – während der Abnahmepreis etlicher Molkereien für konventionelle Milch gerade auf unter 20 Cent pro Liter gesunken ist.
In Brandenburg ist die Molkerei Lobetaler Bio ebenfalls Naturland-Fair-zertifiziert. Darüber hinaus ist gegenwärtig keine andere Molkerei Naturland Fair zertifiziert, es ist auch im Moment keine weitere Zertifizierung in Aussicht.
In Hessen bemüht sich die Upländer Bauern-Molkerei (Bio-Anbauverband Bioland) um faire Milch. Sie fing schon 2002 an, einen freiwilligen Aufschlag für Bio-Milch zu zahlen. Außerdem ist sie Mitglied im Bio&Fair Verein, die ebenfalls ein Siegel vergeben, das für faire Preise steht.
Aktion Agrar fordert unter anderem eine geschützte Kennzeichnung für Heu- und Weidemilch, um tiergerechte Haltungsformen zu unterstützen und Verbraucher*innen zusätzliche Kriterien an die Hand zu geben, nach denen sie Kaufentscheidungen treffen können. Denn heute steht so manches Mal z.B. „regional“ auf einer Packung, die nur unter anderem mit regionaler Milch gefüllt ist.
Unser Fazit? Regional kaufen, wo es geht und regionale Initiativen unterstützen. Im Supermarkt nicht die billigste Milch kaufen und auch mal nachhaken, warum keine „guten“ Produkte geführt werden, die Milchbäuerinnen und -bauern ein Auskommen bieten.
13.07.2016
Ein Koffer voller (Milch)pulver für den Agrarminister
Anlässlich der Bund-Länder-Konferenz der Agrarministerminister am Freitag in Brüssel haben Aktive des globalisierungskritischen Netzwerks Attac und von Aktion Agrar heute dem Bundesagrarministerium über 7.000 Unterschriften mit Forderungen zur Lösung der Milchkrise überreicht. Eine Aktivistin übergab zudem einen Aktenkoffer voll transparenter Plastikbeutel mit weißem Pulver für den Agrarminister. Koffer und Unterschriften wurden entgegengenommen von Abteilungsleiterin Dr. Katharina Böttcher, die am Freitag zusammen mit Agrarminister Christian Schmidt in Brüssel bei der Sonder-Agrarministerkonferenz sein wird.


19.07.2016
Milchkrise: EU lenkt ein bisschen ein
Ein längst überfälliger Schritt: beim Treffen der EU Agrarminister am Montag wurden endlich die Weichen für eine Milchmengenreduzierung gestellt. Ein zweites Hilfspaket in Höhe von 500 Mio. Euro wird für die Landwirtschaft geschnürt, davon gehen allerdings nur 150 Mio. Euro gezielt in die Verringerung der überschüssigen Milchmenge.
Wirklich kritische Töne zur Weltmarktorientierung blieben jedoch aus bei dem großen Notfallgipfel.
Auch zu dem geplanten Paket zur Mengenreduzierung gibt es Kritik. „Mit den bisher vorgesehenen 150 Millionen Euro könnten nur 0,7% der EU-Milchmenge abgebaut werden – der Effekt einer wirklich ausreichenden Mengenreduzierung zur Erreichung kostendeckender Milch-Erzeugerpreise erfordere stattdessen mindestens das Fünffache.“ kommentierte stellvertretender AbL-Vorsitzender Ottmar Ilchmann. Landwirte können ab September Anträge zur Teilnahme an dem EU-Programm stellen, welches noch bis Ende das Jahres laufen soll. Sie bekommen nach Bewilligung für jedes ungemolkene Kilogramm Milch 14 Cent ausgezahlt.
Die restlichen Gelder des Hilfspaketes werden an die EU-Mitglieder direkt ausgezahlt. Deutschland wird voraussichtlich 58 Mio. Euro erhalten, den größten Anteil aus dem EU-Paket. Diese Summe will Agrarminister Schmidt mit Bundesmitteln noch einmal verdoppeln. Inwiefern diese Gelder an eine Mengendisziplin geknüpft sind, bleibt vorerst unklar.
Aktion Agrar kämpft mit der Kampagne „Kühe und Bauern nicht verpulvern“ seit Januar für eine Reduzierung der Milchmenge, um hier und weltweit Bäuer/innen Perspektiven zu eröffnen. Das muss einher gehen mit einer Abkehr von der Export-Fixierung sowie einer Stärkung regionaler Märkte und echten Tierschutzes. Weidehaltung beispielsweise nützt Tieren und Klima und ermöglicht echte Qualitätsproduktion.
03.08.2016
10.000 Unterschriften für „Kühe und Bauern nicht verpulvern!“
Mehr als 10.000 Menschen haben den Appell „Kühe und Bauern nicht verpulvern!“ unterschrieben und sich gegen die Exportorientierung des Bauernverbandes und der Bundesregierung ausgesprochen. Auf der Sonder-Agrarministerkonferenz am 15. Juli in Brüssel war die Situation der Milchbäuerinnen und -bauern Thema, die nächste Agrarministerkonferenz beginnt direkt nach der Sommerpause am 7. September. Kommt mit uns nach Rostock und übergebt die Unterschriften an die Agrarminister*innen der Länder, die sich hier mit Blick aufs Meer versammeln.
Bis dahin: den Sommer genießen und Milchshakes trinken mit einem Rezept von der Upländer Bauernmolkerei. Geht natürlich auch mit Pflanzenmilch.
Zutaten für 5 Personen:
1 L Vollmilch oder Pflanzenmilch
400 g frische Erdbeeren oder Bananen
4 Kugeln Eis oder Eiswürfel
2 EL Rohrohrzucker
Erdbeeren (oder Bananen) entstielen, halbieren und mit der gekühlten Milch pürieren. Das Eis oder die Eiswürfel dazugeben und gut durchmixen. Nach Geschmack süßen.
07.09.2016
Aktion: Kühen und Bauern steht das Wasser bis zum Hals!
Vor der Bund-Länder-Agrarministerkonferenz in Rostock-Warnemünde sind wir gemeinsam mit Bäuerinnen und Bauern von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (Abl) und der Kampagne „Meine Landwirtschaft“ in die Ostsee gegangen. Ganz unter dem Motto: „Vielen Bäuerinnen und Bauern steht das Wasser bis zum Hals. Stoppt das Höfesterben!“
Sie unterstrichen ihren dringenden Appell mit zahlreichen Schildern und Transparenten, auf denen Forderungen wie „Milchmenge reduzieren – jetzt!“, „Kleinere und mittlere Betriebe fördern!“ und „500 Millionen Euro für artgerechte Tierhaltung und Ökolandbau“ standen. In den letzten 10 Jahren haben 40.000 Milchvieh haltende Betriebe und 64.000 Schweine haltende Betriebe die Hoftore geschlossen – und auch 2016 geht das Höfesterben weiter.
Es gibt Verantwortliche für diese Krise: die Bundesregierung, Minister Schmidt sowie die Spitze des Deutschen Bauernverbandes, die alle erst die Agrarkrise geleugnet und die Preise ins Uferlose haben abstürzen lassen. Millionenprogramme sind verpulvert und viel zu spät und halbherzig hat man unsere Forderung nach deutlicher Mengenreduzierung aufgenommen, frei nach dem Motto: Der Markt soll und wird es schon irgendwie alleine richten. Große Verantwortung trägt auch die Agrarindustrie, allen voran die Chefs der Großmolkereien, z.B. die des Deutschen Milchkontors (DMK), Deutschlands größter Molkerei mit dem schlechtesten Auszahlungspreis (22 Cent/kg). Wider aller Vernunft organisiert das DMK keine Mengenbegrenzung, sondern lässt stattdessen Bauernhöfe bewusst mit brutalen Erzeugerpreissenkungen gegen die Wand laufen. Das DMK betreibt Kapitalvernichtung in Millionenhöhe und zerstört mit Exportdumping die Projekte kleinbäuerlicher Milchwirtschaft in den ärmeren Ländern der Welt.
Wir fordern die Minister von Bund und Ländern auf, kurzfristig eine spürbare Mengenreduzierung zu unterstützen, damit die Preise sich erholen und das rasante Höfesterben gestoppt wird. Um weiteren Überschüssen und einem erneuten Wachstumswahn innerhalb der Landwirtschaft einen Riegel vorzuschieben, sind sowohl ein Marktverantwortungsprogramm als auch ein Programm der Milchqualitätsoffensive notwendig. Die Kühe müssen auf der Weide und brauchen tiergerechte Haltung, Gras, Silage, Heu und gentechnikfreies Futter! Vollmilch für die Kälber, Zucht auf Lebensleistung, Ausrichtung der Erzeugung auf die Regionen und den EU-Binnenmarkt statt auf dem Weltmarkt – das ist eine zukunfstähige Landwirtschaft.

Das war der Appell
Die Milchpreise sind im Keller: 25 Cent pro Liter stehen Produktionskosten von rund 45 Cent gegenüber. Täglich müssen kleinere Betriebe aufgeben. Die Großmolkereien exportieren billiges Milchpulver und richten auch auf den Märkten in den armen Ländern großen Schaden an.
Insgesamt haben wir 13.275 Unterschriften gesammelt. Vielen Dank an alle Unterstützer*innen!
Sehr geehrter Herr Minister Schmidt,
Jetzt droht rund um die Kühe eine Industrialisierung, wie sie bei Hühnern und Schweinen schon geschah. Lassen Sie nicht zu, dass noch mehr Bauernhöfe kaputt gehen und die regionale Versorgung zu Gunsten von Milchfabriken auf der Strecke bleibt!
Wir fordern von Ihnen und Ihrem Ministerium:
- Handeln Sie jetzt sofort: Unterstützen Sie Höfe, die jetzt freiwillig weniger Milch produzieren!
- Die Kühe müssen auf die Weide! Tier- und Klimaschutz und Qualität passen zusammen.
- Wenn „Fair“ draufsteht, muss auch „Fair“ drin sein: Wir fordern eine umfassende Transparenz bei allen Milch-Produkten im Laden. Schützen Sie Begriffe wie „regional“ und „Weidehaltung“.
- Vergessen Sie die Export-Illusion: Wir brauchen eine bedarfsgerechte Milchproduktion statt Pulver für den Weltmarkt. Setzen Sie sich auf der EU-Ebene für einen Kurswechsel weg von der Exportorientierung ein.
Mit freundlichen Grüßen,