Ökonauten

Wir wollen Essen, wir wollen gutes Essen, dann müssen wir auch Verantwortung übernehmen. Und die Grundlage ist Land. Ohne Land kann keine:r was Gutes anbauen.“

Im Zuge explodierender Bodenpreise, eines ungleichen Wettbewerbs auf dem Bodenmarkt, Landkonzentration und schwindendem fruchtbarem Boden wird es für Landwirt:innen immer schwerer an Land zu kommen. Vor allem im Osten Deutschlands steigen die Preise so rasant wie nie und locken zudem durch die vorhandenen Großbetriebe außerlandwirtschaftliche Investor:innen an Bord. Doch wo es Herausforderungen gibt, gibt es zumeist schlaue Köpfe, die sich ihnen stellen. So entstand 2015 die Ökonauten eG aus einer Handvoll Menschen, deren Anliegen es war dem Problem eine Lösung zu bieten.

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Wo liegt der Hund begraben?

„Ein wesentlicher Punkt war, dass es für kleine Landwirtschaften kaum Zugang zu Land gab und gibt. Es fehlen langfristige Sicherheitsmöglichkeiten durch die Pachtverträge, die meist auf 3-5 Jahre angelegt sind. Da ist der Aufbau eines guten Bodens gerade mal angefangen. Sollte der Vertrag dann nicht verlängert werden, war die Arbeit umsonst. Oder gerade auch in der Agroforstwirtschaft, da sind 30 Jahre nichts, da bräuchte es Forstbedingungen.“, sagt René Tettenborn, eines der Gründungsmitglieder der Ökonauten eG.

„Ein weiterer Hintergrund sind Landflucht und mangelnde Perspektiven im ländlichen Raum. Die Großlandwirtschaften setzen auf Saisonarbeiter und große Maschinen, der Gemüsebau wurde immer mehr abgebaut, immer weniger Menschen finden einen festen Arbeitsplatz. Das ist auch eines unserer Grundargumente: Schaffung von Arbeitsräumen für Landwirt:innen.“, führt er weiter aus. In Brandenburg bewirtschaften 28,3% der landwirtschaftlichen Betriebe 87% der Flächen. Das bedeutet, dass von den 5300 Betrieben in Brandenburg 1500 Betriebe mehr als 200ha bewirtschaften. Laut Atlas Diercke-Westermann liegt damit die durchschnittliche Betriebsgröße bei 247ha. Zudem ist allein von 2007 bis 2017 der Preis für Ackerland in Teilen Brandenburgs um 8348€/ha gestiegen. Das ist eine Zunahme um 276,1%. Gründe für die steigenden Bodenpreise sind unter anderem finanzstarke Investor:innen, die spätestens seit der Finanzkrise 2015 Land als lukrative Anlage verstehen. Versiegelung, subventionierter Anbau von Biospritpflanzen und schlechte landwirtschaftliche Praxis sind weitere Faktoren für die Verknappung guter Böden.

Der Name Ökonauten verrät wohin es gehen soll: Es geht darum, Neuland zu betreten.

Im Jahr vor der Gründung der Genossenschaft waren die Gründungsmitglieder alle in unterschiedlichen Räumen unterwegs. René Tettenborn war im nachhaltigen Landmanagement in der Forschung aktiv, Willi Lehnert mischte im Bündnis Junge Landwirtschaft mit, Frank Viohl ist Berater für Solawis. Zu dem Zeitpunkt kannten sie sich noch nicht. Das Thema Landgrabbing im Osten Deutschlands wurde immer häufiger öffentlich diskutiert. Eine Veranstaltung der Heinrich Böll Stiftung beschäftige sich mit dem erschwerten Zugang zu Land für Junglandwirt:innen in Ostdeutschland. Besonders schwierig sei es langfristige Bedingungen zu erhalten um den Bodenaufbau voranzutreiben. Genau das ist aber angesichts der Klimakrise ein sehr wichtiges landwirtschaftliches Ziel.

René Tettenborn hatte sich schon durch seine wissenschaftliche Arbeit und als Gründungsmitglied einer Energiegenossenschaft mit dem Thema genossenschaftliche Systeme als bürgerschaftliches Engagement auseinandergesetzt.

„Ich bin dann zu Willi ins Büro gekommen und habe mit ihm über die Genossenschaftsidee geredet. So wurde dann an der Idee gearbeitet, eine Bodengenossenschaft zu gründen, bei der Bürger:innen sich solidarisch zeigen zu Landwirtschaften und Geld investieren, ohne eine Kapitalrendite zu haben. Dafür bietet die Genossenschaft die Möglichkeit Landwirtschaft, Biodiversität, usw. im ländlichen Raum, gerade in Ostdeutschland, zu unterstützen.“, erzählt René.

Nach und nach kamen zu der visionären Idee von Willi, Frank und René immer mehr Menschen dazu, darunter auch Vivian Böllersen, die Ökolandbau und Agrarmanagement in Eberswalde studiert hat. Sie brachte die Idee für das erste Projekt mit, die Walnussplantage. So wurde ihr Zustoßen zur Gruppe zum Initialpunkt der Gründung der Genossenschaft.

„Wir wollten erst gründen wenn es ein Projekt gibt, ein wirkliches.“, erklärt René. „Wir wollten ja nicht was, was am Bedarf vorbei ist. Im Prozess der Gründung haben wir auch junge Landwirtschaften, darunter auch einige Solawis angefragt, ob es denn generell Bedarf für unser Konzept gibt.“

Auch kritisches Feedback wurde im Austausch während der Gründung gehört und Grundgedanken hinterfragt: Wie kann Land Gemeingut sein? Wem kann es eigentlich gehören? Darf es überhaupt etwas kosten? Schlussendlich gehört es ja doch der Genossenschaft, einem Rechtsträger.

„Wir nehmen für Landnutzung Geld. Wir nehmen eine Pacht, die den ökonomischen Voraussetzungen eines Unternehmens entspricht, um die Gemeinkosten der Genossenschaft zu decken.“, antwortet René. Hier gilt es Kompromisse zwischen Utopie und Realität einzugehen.

Wie funktioniert das jetzt mit der Genossenschaft?

Seit Januar 2015 sind die Ökonauten eG eine eingetragene Genossenschaft.

oekonauten-Beispiel Generalversammlung

Genossenschaften sind eine der ältesten wirtschaftlichen Formen Deutschlands. Sie arbeiten demokratisch und transparent. Jede:r Genoss:in hat eine Stimme, alle Wirtschaftsdaten sind für alle Mitglieder einsehbar. Gearbeitet wird in drei Organen: dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und der Generalversammlung, die mindestens einmal im Jahr stattfindet.

Die Ziele der Ökonauten eG sind dabei:

  • Ackerflächen langfristig durch genossenschaftlichen Landerwerb für die ökologische Landwirtschaft sichern
  • Existenzgründungen im ländlichen Raum ermöglichen und vorhandenen Betrieben die Existenz sichern
  • Kooperation mit regionalen Erzeugern, Verarbeitern, Initiativen und Forschungseinrichtungen
  • Unterstützung und Vernetzung von Existenzgründer:innen bei der Betriebsgründung

Sie beschränken sich aber nicht auf Landkäufe, sondern arbeiten auch mit Darlehensprojekten und suchen nach neuen Finanzierungsmodellen.

Möchte man Genoss:in werden, zeichnet man mindestens 10 Anteile mit 50€. Seit 2020 gibt es auch die Möglichkeit mit wenig Geld für einen Zugang zu Land für Kleinbäuer:innen einzutreten, erklärt René:
„Wir haben auch die 50€ Einstiegseinlage für Auszubildende, Menschen im Studium und mit ALG II Bezug. Wir wollen auch Leute mit wenig Geld partizipieren lassen. Das unterscheidet uns auch von anderen Bodengenossenschaften.“

Inzwischen gibt es mit Unterstützung der Ökonauten eG diese vier Projekte:

Die Walnussmeisterei von Gründungsmitglied Vivian Böllersen bei Velten, die Solawi Bauerei Grube, der Hof „Die StoltzeKuh“, die sich der wesensgemäßen, naturnahen Milchviehhaltung gewidmet haben und ein ganz frischer Landkauf von knapp 4,5 ha nördlich von Berlin, zu dem ein Hof gehört.

Hat auch mal was nicht geklappt?

„Ja, einmal hatten wir uns ein halbes Jahr lang mit einem Projekt zum Landkauf beschäftigt, das aber leider nicht realisiert werden konnte. Und letztes Jahr 2020 waren wir so kurz davor einen wunderschönen Hof zu kaufen mit 11 ha. Dann ist ein Landwirt abgesprungen, dann ein Kollektiv und dann die Käufer. Das war total schade!“, antwortet René.

Kollektiv an großen Zukunftsvisionen zu arbeiten, bedeutet eben auch mal Durststrecken zu durchschreiten und nicht zu wissen, was passiert. Doch dass die Ökonauten weiterhin so erfolgreich arbeiten zeigt, dass sich der große Traum vom gerechten Zugang zu Land nicht so schnell kleinkriegen lässt.

Die Hauptsache ist, und das sagt auch René: „Wir waren immer mit voller Liebe dabei!”

Wohin schaut ihr in ZUKUNFT? Welche Projekte kommen?

„Im Gegensatz zur Brandenburger Regierungspolitik haben wir eine Vision für den ländlichen Raum“, sagt Willi Lehnert.

„Wir bleiben stets im Kontakt mit der Politik. Wir werden eingeladen von Parteien, sind beim Ernährungsrat dabei und arbeiten mit anderen Akteur:innen daran, dass sich auf politischer Ebene was ändert. Ich denke aber, dass auch kleinere Strukturen wichtig sind, wir uns mit einem Projekt, einer Fläche, einer Art zu leben identifizieren können und ein Verantwortungsbewusstsein entwickeln. Zum Beispiel in einer Werte- und Finanzierungsgesellschaft wie den Ökonauten. Essen ist ja auch eine Frage des Gefühls. Anderen Ländern ist das einfach mehr wert als uns hier. Aber die Zahl der Menschen, die Verantwortung übernehmen möchten, wächst!“

2021 startete erfolgreich für die Ökonauten und bietet einen tollen Ausblick in die Zukunft:

Gerade haben sie einen neuen Landkauf abgewickelt und sind in Kooperation mit einer anderen Organisation auf der Suche nach mehr Unterstützungsmöglichkeiten für Landkäufe.

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Außerdem berichtet René: „Wir wollen Kooperationen mit Vereinen im Naturschutz und mit Waldgärten eingehen. Wir wollen auch eine Kampagne starten zum Thema Landsicherung und juristischen Optionen. Wie kann man Verträge noch langfristiger als die klassischen 30 Jahre abschließen? Das betrifft vor allem Waldgärten, die eher auf einer forstwirtschaftlichen Ebene anzusiedeln sind. Dieses Jahr haben wir das Gefühl, können wir wieder richtig los starten!

Wir wissen, dass wir nur ein kleines Rad sind in der Welt – aber was wir gesichert haben, haben wir gesichert! Und die Landwirtschaften können damit für immer was machen.“

Die Fotos wurden uns von den Ökonauten zur Verfügung gestellt. Danke!