Brot in Not – Freier Weizen

Freier Weizen statt Konzergetreide

Weizen ist eine der am weitesten verbreiteten Nutzpflanzen weltweit. Bäuerinnen und Bauern haben seit jeher Nachbau betrieben, das heißt: sie bewahren einen Teil der Ernte auf, um diesen wieder auszusäen. Derzeit können alle vorhandenen Sorten für Brotweizen nachgebaut werden. Bäuerliche Betriebe sind also nicht darauf angewiesen, jedes Jahr erneut Saatgut zu kaufen. Das ermöglicht ihnen eine gewisse Eigenständigkeit. Den industriellen Saatgutfirmen ist dies jedoch ein Dorn im Auge. Sie können ihren Absatz vergrößern, wenn die Landwirte jedes Jahr neues Saatgut kaufen müssen; bei Hybridpflanzen ist das der Fall.

Was steht auf dem Spiel?

Millionenschwere Förderungen für Hybridsaatgut

Hybride passen Konzernen perfekt ins Konzept – weil die späteren Samen von solchen Pflanzen nicht wieder ausgesät werden können und deshalb Bäuerinnen und Bauern gezwungen sind, jedes Jahr neues Saatgut einzukaufen. Gerade bei Weizen wäre das weltweit katastrophal: Bisher wird das Saatgut für dieses Getreide, das zusammen mit Mais und Reis weltweit wichtigste Nahrungspflanze ist, noch zu einem großen Teil von Bauern aus der eigenen Ernte gewonnen.

Das Bundesforschungsministerium und das Bundesagrarministerium unterstützen derzeit mit millionenschweren Förderprogrammen wie „Hywheat“, „Restorer“ und „Zuchtwert“die Entwicklung von Hybridweizen, der Bauern abhängig machen wird. Kooperationspartner sind unter anderem: Bayer, Syngenta, KWS, Nordsaat und Limagrain.

Hybridweizen macht abhängig

Es gibt technische und rechtliche Barrieren, die den Nachbau von Hybridsaatgut unmöglich machen und so Bäuerinnen und Bauern zum jährlichen Kauf von Hybridsaatgut nötigen. Bei der Herstellung von Hybridsaatgut werden verschiedene Inzuchtlinien miteinander gekreuzt, die in sich möglichst homogen in der Ausprägung von sortenrelevanten Merkmalen sind. Von der einen Linie wird Pollen auf die Pflanzen der anderen Linie gebracht, die als Mutterpflanzen für das Hybrid-Saatgut dienen. Dieses Verfahren zur Herstellung von Hybriden ist aufwändig und teuer. Im Gegenzug winken höhere Erträge und andere verbesserten Eigenschaften, die auf den „Heterosis-Effekt“ zurückgehen. Dieser Effekt tritt auf, wenn die voneinander sehr verschiedenen Elternlinien unmittelbar zur Saatguterzeugung miteinander gekreuzt werden. Das geschieht aber nur in der ersten Kreuzungsgeneration und verliert sich in späteren Generationen. Daher ist der Nachbau des Ernteguts der ersten Kreuzungsgeneration durch den Landwirt zwar theoretisch möglich, jedoch aus gesetzlich eingeschränkt landwirtschaftlich-betriebswirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll. Die Eigenschaften der entstehenden Pflanzen sind weder vorhersehbar noch vielversprechend.

Weizen ist von Natur aus ein Selbstbefruchter mit relativ kleinen Blüten. Um diese Selbstbefruchtung künstlich zu unterbinden, müssen diejenigen Pflanzen männlich steril gemacht werden, die als Saatgutmutterpflanzen dienen sollen. Bislang geht das nur mit einer Chemikalie, die in Deutschland verboten ist. Den Mutterpflanzen muss dann der Pollen von Kreuzungspartnern gezielt zugefügt werden.

Rechtlich kann der Nachbau von Hybriden über die gesetzliche Umsetzung der internationalen UPOV-Verträge zum Rechtsschutz auf Neuzüchtungen von Pflanzensorten verboten werden. Die Elternlinien bleiben bei der Anmeldung zum Sortenschutz geheim, sie gelten als Geschäftsgeheimnis. Darüber hinaus können Patente den Inhabern weitere Rechte auf Eigenschaften zugestehen, die sich bis hin zu verarbeiteten Ernteprodukten erstrecken können, z.B. auf Kekse aus bestimmtem Weizen.

Hybridweizen und Gentechnik

Wer den Konflikt um die Gentechnik kennt, erlebt ein Déjà-vu: Gentechnikforscher arbeiten an einer weiteren „Lösung“ für ein selbst definiertes bzw. verursachtes „Problem“. Sie versprechen, Weizenerträge mit Hybridsorten zu steigern. Zur Lösung dieser „Probleme“ werden große Versprechungen gemacht, die nicht erfüllt werden.

Neuentwickelte gentechnische Methoden wie CRISPR/Cas9 haben in den letzten Jahren die Hoffnungen neu angeheizt, Hybridweizen einfacher und vielversprechender zu erzeugen. Erstens suchen die Forscher nach kostengünstigeren gentechnischen Verfahren, um männliche Sterilität herstellen und wieder aufheben zu können. Zweitens ist man dabei, das nun entschlüsselte Genom des Weizens zu erforschen. Man möchte erkennen, wo welche Eigenschaften kodiert sein könnten und welche Wechselwirkungen DNA-Abschnitte mit anderen Bereiche haben könnten. Und drittens sucht man Wege, um zehntausende in Genbanken eingelagerte Weizenlinien möglichst rasch auf ihre Eigenschaften bei einer Kreuzung mit anderen Linien untersuchen zu können – ohne aufwendige Feldtests.

Aktuell wird auch das deutsche Gentechnikgesetz überarbeitet. Dabei gibt es nicht nur Bestrebungen Anbauverbote zu erschweren. Es wird auch versucht, die neuen gentechnischen Methoden wie CRISP/Cas9 als „innovative“ Formen der Pflanzenzüchtung zu verharmlosen und sie nicht mehr unter das Gentechnik-Gesetz fallen zu lassen. Damit könnte man Gentechnik- Zulassungsverfahren gleich ganz umgehen.

Bäuerliche Landwirtschaft weltweit unter Druck

Was bäuerliche Betriebe anbauen, hängt auch davon ab, was die Abnehmer haben wollen. Die verarbeitende Industrie setzt Standards, etwa für Eiweiß- und Klebergehalt im Weizen. Industriebäckereien sind an Weizen mit möglichst 100% gleichbleibenden Eigenschaften interessiert, während handwerkliche Bäckereien Getreide aus regionalen Sorten mit weniger einheitlichen Eigenschaften verarbeiten können.

„Wachsen oder Weichen“ ist seit über 60 Jahren in Deutschland der Grundsatz der Agrarpolitik. Mit ihrer Handels- und Subventionspolitik exportieren Bundesregierung und EU die Politik des systematischen Höfesterbens in Länder der ganzen Welt. Großflächiger monokultureller Landbau in Ländern des Südens dient meist nicht der dortigen menschlichen Ernährung, sondern der Viehfütterung im Norden und dessen Energiehunger.

Tödlich für die kleinbäuerliche Wirtschafts- und Lebensweise ist auch die Konkurrenz der Billig-Importe aus dem Norden mit ihren Produkten wie Hühnchenfleisch, Mais und Milch. Dazu kommt die Verdrängung der Menschen von ihrem Land und aus ihren Wäldern, weil dort Plantagen für Soja und Ölpalmen angelegt werden.

Die anhaltende Ausplünderung der verschuldeten Staaten des Südens mittels Schuldendienst-Zahlungen und mittels der Ausbeutung ihrer Rohstoffe und Arbeitskräfte verhindert in diesen Staaten vielfach den Aufbau von Sozialsystemen und einer eigenständigen Wirtschaft, die ausreichende Einkommensmöglichkeiten auch für die städtische Bevölkerung bieten würde.

Gemeinsam für Vielfalt und bäuerliche Landwirtschaft

Der Weltagrarbericht von 2008 hat gezeigt, dass kleinbäuerliche multifunkionelle Landwirtschaft eine höhere Produktivität pro Fläche oder pro Energie-Einsatz haben kann als industrielle Monokulturen. Kleinbäuerliche Landwirtschaft könnte die Welt ernähren, sie muss gefördert werden!

Zuhause fragen Sie doch einfach Ihren Bäcker, mit welchen Weizen- und Roggensorten er sein Backwerk herstellt. Glücklich kann sich schätzen, wer als Berufs-BäckerIn oder als Hobby-BäckerIn für Brot, Kekse und Kuchen regional angebautes Getreide bekommen und von den LandwirtInnen auch noch erfahren kann, von welcher Sorte das Getreide ist.
Wir brauchen handwerkliche Bäckereien und Getreide-Schaugärten, in denen die Vielfalt sichtbar wird. Wir brauchen Bewusstsein für die Bedeutung von Sortenvielfalt und bäuerlicher Saatgut-Souveränität. Letztlich geht es um das Recht aller Menschen, über ihre Ernährung selber zu bestimmen: Ernährungssouveränität.

Zukunftsweisende Landwirtschaft braucht bäuerliche Saatgutarbeit

Dort wie hier müssen kleinbäuerliche und dezentrale Saatgutarbeit mit Getreide und die Nutzung vielfältiger Sorten und Mischungen unterstützt werden. Einige bäuerliche Betriebe, Initiativen und wissenschaftliche Institute tun dies schon, alle auf ihre eigene Art. Verschiedene Höfe arbeiten zusammen und nutzen Maschinen gemeinsam, um Saatgut zu reinigen und aufzubereiten. Das sind zukunftsweisende Möglichkeiten, bäuerliche Alternativen zum industriebeherrschten Saatgutmarkt aufzubauen und Sortenvielfalt weiterzuentwickeln.

Wir setzen uns ein für Saatgut aus bäuerlicher Züchtung und aus Züchtung ohne Gentechnik, für eine große Vielfalt beim Anbau, für regionale handwerkliche Verarbeitung von Lebensmitteln und für lokal angepasste Sorten. Diese werden am besten durch Züchtung auf dem Feld weiter entwickelt. Das verleiht dem Brot und anderem Gebäck, den Nudeln und der Pizza einen ganz anderen Geschmack!

Hybridweizenforschung für Konzerngewinne

In den letzten Jahrzehnten ist es den Marktführern des Saatguthandels weitgehend gelungen, Hybridsaatgut für den Anbau von Roggen, Mais, Soja, Raps, Sonnenblumen, Zuckerrüben und vielen Gemüsesorten zu entwickeln. Damit beherrschen sie mehr und mehr den Markt.

Auch für den Weizenanbau wollen international agierende Unternehmen nun Hybridsorten herstellen und damit nachbaufähige samenfeste Sorten ersetzen. Angesichts der weltweiten Anbauverbreitung des Weizens winkt ein lukratives Geschäft. Der Nachbau von Hybridweizen zur Saatgutgewinnung ist nicht möglich. So würden Bäuerinnen und Bauern dazu genötigt, jedes Jahr neues Saatgut von den Unternehmen zu kaufen.

Seit einigen Jahren fördert die deutsche Regierung mittels verschiedener Programme die gentechnische Forschung zur Erzeugung von Hybridweizen. Das liegt im Interesse der hiesigen Saatgutindustrie – nicht zuletzt von Bayer. Die möglichen Ergebnisse dieser Forschung drohen jedoch, bäuerliche Betriebe in aller Welt in noch größere Abhängigkeit von Saatgutkonzernen zu bringen.

Forschungsförderung unter falscher Flagge

Das finanzielle Engagement des deutschen Staates in die Forschungsförderung an Hybridweizen wird offiziell natürlich nicht mit den Gewinnabsichten der Konzerne begründet. Als Rechtfertigung muss die Sorge um die Welternährung herhalten.

Die durch Hybridweizen zu erwartende Ertragssteigerung würde demnach dazu beitragen, die Menge an produzierten Nahrungsmitteln je Flächeneinheit zu steigern und so den Hunger einer wachsenden Weltbevölkerung zu stillen. Entgegen dem, was häufig propagiert wird, hat der Hunger auf der Welt jedoch seine Ursache nicht darin, dass die Nahrungsmittel-Produktion insgesamt unzureichend wäre.

Die Ursache für die große Zahl an hungernden Menschen weltweit liegt vor allem darin, dass Menschen in den Ländern des globalen Südens ihrer Ernährungssouveränität beraubt wurden und regionale bäuerliche Strukturen zusammen gebrochen sind. Die meisten Hungernden leben auf dem Land und vom Land. Ihr Zugang zu Land, Wasser und Saatgut wird immer stärker von Investoren eingeschränkt, die noch mehr Futtermittel und Energiepflanzen verkaufen wollen. Saatgut, das technisch nicht mehr nachgebaut werden kann oder rechtlich nicht mehr nachgebaut werden darf, ist dort keine Hilfe. Auch wenn verbesserte Eigenschaften oder höhere Erträge im ersten Anbaujahr versprochen werden.

Wir fordern

  • Beendet die öffentliche Förderung von Hybridweizenforschung!
  • Fördert bäuerliche Weizenzüchtung – für bäuerliche Saatgut-Souveränität!
  • Keine Gentechnik auf dem Acker oder im Backofen!

Die Backstube als Teil der Wertschätzungskette

Ein Interview mit Anke Kähler, Bäckermeisterin und Vorstandsvorsitzende des 2011 gegründeten Zusammenschlusses von handwerklichen Bäckereibetrieben ‚Die Freien Bäcker e.V.‘

Ihr verpflichtet euch in eurem Leitbild zur „Verantwortung für die gesamte ‚Wertschätzungskette‘ vom Saatgut bis zum Brot“. Wie machen Bäcker*innen das?

Sie gestalten den Einkauf ihrer Rohstoffe so regional wie möglich. Wenn möglich direkt beim Bauern, einer Erzeugergemeinschaft oder Mühle in der Region.
Da in unserer unabhängigen Berufsorganisation ökologisch wie konventionell arbeitende Betriebe organisiert sind, betrifft dies Rohstoffe aus dem ökologischen und konventionellen Anbau.

Dabei spielt auch die Langfristigkeit und Verlässlichkeit zu den genannten Partnern eine wichtige Rolle. Da wir uns als Organisation seit Jahren mit dem Thema Saatgut und Saatgutsouveränität aktiv auseinander setzen, reden die Bäcker mit ihren Lieferanten z.B. auch über das verwendetet Saatgut.

Vor kurzem haben wir zum dritten Mal unsere gemeinschaftliche Aktion ‚Saat Gut Brot‘ durchgeführt. Der Erlös der verkauften Aktionsbrote wird von den BäckerInnen direkt an den Saatgutfonds der Zukunftsstiftung Landwirtschaft gespendet und kommt den biologischen Pflanzenzüchtern zu Gute. Dabei geht es nicht nur um die Unterstützung der gemeinnützigen Züchtungsarbeit, sondern auch darum, unsere KundInnen auf den folgenschweren Verlust an Biodiversität auf dem Acker und den Verlust an Saatgutsouveränität aufmerksam zu machen.

 „Ich geh mal Brötchen holen“ heißt heute für viele Menschen, die in den nächsten Supermarkt eilen und dort Brötchen aus einem Selbstbedienungsregal fischen. Was ist der Unterschied zwischen handwerklich gebackenen Brötchen und diesen?

Die Brötchen aus der Klappe werden tiefgekühlt als Teigling oder vorgebackenes Produkt in die Filialen gefahren. Um jederzeit gleichbleibende Produktqualitäten gewährleisten zu können, müssen die industriell arbeitenden Lieferanten dabei auf standardisierte Rohstoffe und zahlreiche Backhilfsstoffe setzen. Zu den Hilfsstoffen zählen z.B. technische Enzyme, die in der Regel mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt werden. BäckerInnen, die ihr Handwerk beherrschen, sind in der Lage mit den natürlich schwankenden Backqualitäten kleinerer Chargen von regional angebauten Rohstoffen – ohne isolierte Backhilfsstoffe – zu arbeiten. Sie gleichen z.B. unterschiedliche Kleberqualitäten beim Weizen oder unterschiedliche Quell- und Verkleisterungseigenschaften beim Roggen durch die Anpassung backtechnischer Verfahren aus. Technische Enzyme und alle weiteren erlaubten isolierten technischen Hilfsstoffe setzen die zertifizierten Betriebe unserer Organisation nicht ein. Uns ist wichtig, uns unser Know-how und unsere Unabhängigkeit nicht durch industriell hergestellte Vorprodukte und Hilfsstoffe aus der Hand nehmen zu lassen und jederzeit vollständige Transparenz über die verwendeten Rohstoffe und Herstellungsprozesse herzustellen.

Wie geht es den Bäckereien? Was sind aktuell die größten Herausforderungen für das Bäckereihandwerk?

Die handwerklichen Betriebe stehen unter enormem Druck. Zum einen durch die zunehmende Flut an Reglementierungen und Kontrollen, zum anderen durch Wettbewerbsverzerrungen zu Gunsten industrieller Fertigung. Die externalisierten Kosten industrieller Lebensmittelherstellung stehen ja leider nicht am Selbstbedienungsregal. Diese Situation betrifft aber nicht nur die Lebensmittelhandwerker sondern alle Handwerksbereiche, auch Tischler, Elektriker, Ofenbauer, Steinmetze. Die klassische „Lösung“ die auch dem Handwerk vorgeschlagen wird heißt, weichen oder wachsen und investieren. Das ist meist nicht der richtig Weg. Die Betriebe verschulden sich über Jahrzehnte und kommen oft aus dem Hamsterrad, des immer billiger und immer mehr produzieren Müssens nicht mehr raus. Die Arbeitsbelastung im Handwerk ist hoch, darüber klagt kein Handwerker, doch die zusätzlichen Reglementierungen bringen das Fass zum überlaufen. Hier eine neue Verordnung zu Acrylamid, zum Salzgehalt im Brot, neue Kassensysteme um auch ja noch den allerletzten Cent für die Steuer zu erfassen. Für den Kauf einer solchen Registrierkasse und die betriebliche Einbindung müssen kleinere Betriebe ewig arbeiten. Wer, wie z.B. Marktbeschicker, Ausnahmeregeln in Anspruch nehmen will, muss ständig Dokumentieren. Die Auflistung der Auflagen ließe sich lange fortsetzen. Wir haben uns ein System geschaffen, dass uns entmündigt – das Handwerk, pflegerischen Berufe …uns als Bürger. Vermeintliche Sicherheit und Effizienz (alles muss immer billig werden) geht zu Lasten unserer Lebensqualität.

Die Bundesregierung fördert die Züchtung von Hybridweizen. Was war Deine erste Reaktion als Bäckerin und Vorstand der Freien Bäcker, als Du davon gehört hast?

Erneutes Erstaunen über mangelnden politischen Weitblick und Mut, über politischen Dünkel und den ungebrochenen Glauben an wirtschaftliches Wachstum und die dazugehörige Technologieführerschaft. Dass alles Wissen über unsere planetaren Grenzen in den Wind geschlagen werden, zeigt, wie stark die Lobbyarbeit der Saatgut- und Chemiekonzerne ist, sowie ihre ganz subtile Durchdringung wissenschaftlichen Einrichtungen und Behörden. Die Forschungsförderung von Hybridweizen und ihre Folgen stoßen aber bei Weitem nicht nur bei den Mitgliedern unserer Organisation auf klare Ablehnung.

Im Verein habt ihr Mitgliedsbäckereien, die ausschließlich ökologische Backwaren herstellen und konventionelle: Wie reagieren sie auf die Hybridweizen-Pläne? Welche Aspekte sind Euren Mitgliedern besonders wichtig?

Die meisten wussten erstmal nichts davon. Der übervolle Alltag erlaubt es doch keinem, alle Nachrichten und Infos zu verfolgen. Dann wissen selbstverständlich einige auch nicht, was überhaupt Hybridweizen ist.
Ich finde, Themen wie Saatgut und die Erzeugung von landwirtschaftlichen Rohstoffen gehört z.B. in die Ausbildung von Lebensmittelherstellern! Es kann nicht sein, dass man einen Hauptrohstoff einkauft über dessen Erzeugung so wenig in der Aus- und Weiterbildung vermittelt wird. Wer sich mit der aktuellen Entwicklung im Bereich Saatgut und der Bedeutung von nachbau- und regional anpassungsfähigem Saatgut beschäftigt, versteht aber schnell um was es jetzt geht. Für traditionelle und biologische Pflanzenzüchter wird es immer schwieriger an Zuchtmaterial zu gelangen.
Patente auf genetische Ressourcen, auf Kulturpflanzen die Bäuerinnen und Bauern in Jahrtausenden geschaffen haben verhindern den Zugang. Mit der Privatisierung von Allmenden wird schrittweise der Boden der Demokratie verlassen.
Noch gibt es in Deutschland nachbaufähigen Weizen. Sobald diese gegen Weizenhybriden ersetzt werden, haben eine knappe Handvoll Saatgutkonzerne die Bauern und damit auch die Müller, Bäcker und Verbraucher in der Hand. Damit sinkt unsere Versorgungssicherheit, die durch viele unterschiedliche, fruchtbare also nachbaufähige und an Boden und Klimawandel anpassungsfähige Sorten gewährleistet wird. Skandalös ist, dass diese kolossale Fehlentwicklung mit unseren Steuergeldern finanziert wird.

Kennst Du Alternativen, die Mut machen?

Zum Beispiel die Bäckerei eines Kollegen in Lichtenfels-Sachsenberg, in Nordhessen. Er stellt sukzessive um auf ökologische Rohstoffe. Hat sich mit Bauern aus dem Dorf getroffen, die nun für ihn biologisch gezüchtetes Getreide anbauen. Zum Auftakt der Aktion Saat Gut Brot gab es auf seine Initiative hin einen Gottesdienst in seiner Backstube. Er hat in der Backstube Filme zu Thema gezeigt, sich mit den Landfrauen zusammengesetzt. Und vor allem: Im Dorf passiert etwas. Die Bäckerei ist ein wenig zum lebendigen Mittelpunkt im Dorf geworden.

Wie geht die Auseinandersetzung für Euch weiter? Was stellt Ihr 2017 auf die Beine?

Wir wollen im nächsten Jahr eine Kampagne zum Thema ‚Fusion von Bayer und Monsanto‘ und zur Hybridweizenentwicklung mitgestalten. Vor allem wollen wir aber Alternativen aufzeigen. Wir bereiten einen Bäcker-Block auf der WHES-Demo vor. Da die negativen Folgen der Industrialisierungsprozesse der alle Handwerker betreffen, wollen wir außer Bäckern, Metzgern und Molkern auch weitere Gewerke dafür gewinnen. Außerdem führen wir einen Fachkongress am 6. Februar in Winnenden durch. Am 30. April findet in der Markthalle 9 die „BrotZeit 2017“ statt: Da zeigen wir einen ganzen Tag, wie die Erzeugung und Herstellung von Lebensmittel anders geht und laden zum Mitmachen, Probieren und Diskutieren ein. Wir organisieren fachliche Weiterbildungsveranstaltungen, für BäckerInnen, aber auch für die PartnerInnen unserer Wertschätzungskette und vertreten die Interessen unseres Handwerks gegenüber der Politik.

Alternativen in der Praxis

Jürgen Holzapfel

Getreidebauer auf dem Hof Ulenkrug, Mecklenbug-Vorpommern

Seit 15 Jahren bauen wir auf unserem Hof alte Getreidesorten an, zunächst auf kleinen Flächen, um zu sehen, wie die Sorte sich unter den Bedingungen des Hofes entwickelt, später dann auf grösseren Flächen, wenn uns eine Sorte gefällt und sich hier wohlfühlt. Das meiste Getreide dient unserer eigenen Versorgung, ein Teil geht an handwerkliche Bäcker in der Umgebung. Im Vergleich mit den kommerziellen Sorten, die wir vorher angebaut haben, kommen wir mit einigen alten Sorten hier ohne Kunstdünger und Spritzmittel sehr gut zurecht. Sie sind wüchsig und unterdrücken das Unkraut, sie sind anspruchsloser und bekömmlicher. Natürlich haben sie auch Nachteile, wie zum Beispiel, dass sie mehr Zeit brauchen, um auszureifen, dass sie widerspenstige Borsten (Grannen) haben, dass sie höher wachsen, als moderne Sorten, aber diese Nachteile in einer sehr mechanisierten Landwirtschaft sind auch Vorteile für die Qualität des Getreides.

Cornelia Lehmann und Rudi Vögele

Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg e. V. (VERN e. V.)

Der Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg e.V. (VERN) fördert die On-farm Erhaltung alter und seltener Kulturpflanzen, bei der diese wirtschaftlich genutzt und auf diese Weise erhalten werden. Alte Sorten, d. h. nach dem Saatgutverkehrsgesetz nicht, bzw. nicht mehr zugelassene Sorten können in der Regel nicht alle aktuellen Leistungskriterien für den gewerblichen Anbau erfüllen. Sie zeichnen sich aber häufig durch andere positive Eigenschaften aus, wie besondere Formen, Farben oder Geschmack.

Mehr Infos zum VERN

Der VERN vermehrte Kleinproben aus der Genbank Gatersleben im Greiffenberger Schaugarten. Diese wurden gesichtet und beschrieben. Es folgten Anbauprüfungen in größeren Parzellen, Qualitätsprüfungen und gegebenenfalls Feldvermehrungen. Geeignete Sorten wurden vereinsintern an Landwirte weitergegeben und eine Erhaltungszucht aufgebaut.
Etwa 150 geprüfte Muster stehen im Vereinsnetzwerk des VERN zur Verfügung. In Brandenburg und angrenzenden Gebieten baut ein Netzwerk von ca. 70 Landwirten alte Getreideherkünfte an. Schwerpunkt stellen Winterroggen (dabei v.a. „Norddeutscher Champagnerroggen“), verschiedene Winter- und Sommerweizensorten („Schlanstedter“, „Galizischer Grannen“, „Pommerscher Dickkopf“, „Criewener“ Winterweizen), alte regionale Haferherkünfte wie „Heidegold“ und „Vienauer“, sowie zunehmend brautaugliche Sommergersten wie Imperialgerstenformen (Hordeum erectum) und Chevaliergersten. Alte Sorten sind für den Anbau auf armen Standorten geeignet. So ist „Champagnerroggen“ modernen Roggensorten auf Standorten mit Ackerzahlen von 15 bis 30 gleichrangig.
Die Ernte aus der On-farm Erhaltung wird als Futtergetreide oder für Backwaren in handwerklicher Verarbeitung verwertet, z. B. als „Champagnerroggenbrot“. Allerdings besteht Bedarf, die Verwertungs-, Verarbeitungs- und Vermarktungsmöglichkeiten zu verbessern. Die Saatguterzeugung erfolgt vereinsintern durch spezialisierte, besonders geschulte und technisch entsprechend ausgestattete Landwirte.
Weiterhin wurden der „Norddeutsche Champagnerroggen“ und zwei Hafersorten vom VERN als Erhaltungssorten angemeldet und sind seit 2013 zugelassen.
Gegenwärtig hat der VERN ein Sortiment von ca. 800 Herkünften Getreide und führt seit 2015 wieder regelmäßige Treffen der Anbauer, Verarbeiter, Interessenten u.a. zur Getreidearbeit durch.

Lärm machen gegen Hybridweizen vor dem Forschungsministerium

Heute haben Aktive der Kampagne für freien Weizen ihre Forderungen an das Bundesforschungsministerium übergeben. An erster Stelle die Forderung nach Veränderung der Forschungsförderung: Keine Steuergelder für Hybridforschung und Gentechnik!

In der Vorweihnachtszeit haben sich über 4.000 Menschen in fast 100 Städten an einer spontanen Weihnachtskeks-Aktion beteiligt: Sie verteilten Kekstüten mit Selbstgebackenem und der Forderung nach „freiem Weizen“. Denn die Bundesregierung unterstützt die großen Saatgutkonzerne wie Bayer und Syngenta intensiv bei der Züchtung von Hybrid-Weizen, der es Bauern unmöglich machen wird, aus der eigenen Ernte Getreide für die Wiederaussaat aufzubewahren.
Dieser Hybridweizen wird mittels gentechnischer Verfahren kastriert, um ihn mit dem ausgewählten Kreuzungspartner zu bestäuben. Denn normalerweise ist Weizen Selbstbefruchter und deshalb für das Hybridverfahren kaum zu gebrauchen.

Aktion Agrar wird zu diesem Thema weiter arbeiten und mit Kooperationspartnern am 21. Januar das Thema „freier Weizen“ mit mehreren Aktionen im Rahmen eines Blocks von Bäcker/innen und Lebensmittel-Verarbeiter*innen in die Demonstration „Wir haben es satt“ hinein tragen.

Zwischenrufe für freien Weizen auf Hybridkongress

Aktive von Aktion Agrar und der internationalen Saatgutkampagne waren heute beim „International Wheat Congress“ mit einem Zwischenruf für freien Weizen aktiv. Sie verteilten Flyer auf den Konferenztischen und traten mit einem Banner mit der Aufschrift: „Freier Weizen statt Konzerngetreide!“ nach vorne, wurden dann vorübergehend des Saales verwiesen. Viele interessierte Kongressteilnehmer*innen nahmen gerne Kekstüten für freien Weizen entgegen.

Eingeladen wurde vom Landwirtschaftsministerium und der von den G20 ins Leben gerufenen Wheat Initiative, zu deren Mitgliedern auch Bayer, Monsanto, Syngenta, Limagrain, KWS – also die größten Gentechnikkonzerne weltweit – gehören. Teilnehmer*innen kamen aus der Wissenschaft, von Behörden – und etlichen großen Saatgutkonzernen. Trotz des immer wieder erwähnten Ziels, die Welt zu ernähren, war kein Dialog mit Bäuerinnen und Bauern aus der ganzen Welt, bäuerlichen Züchtern, Erhaltungsinitiativen und Expert*innen für Welternährungsfragen vorgesehen.

Mit den in Frankfurt diskutierten Züchtungsmethoden wird versucht, Produktivitätsreserven in den Flächenerträgen zu mobilisieren. Der Hunger auf der Welt hat seine Ursache aber nicht in unzureichender Produktion von Nahrungsmitteln, sondern in Armut und in fehlendem Zugang zu Land, Wasser und angepasstem Saatgut. Gerade bei Hybridweizen werden Saatgut-Konzerne gewinnen und die Menschen das Nachsehen haben. Die zu erwartenden Ertragssteigerungen sind sehr gering: der wesentliche Hybridisierungseffekt ist, dass Saatgut muss jährlich neu gekauft werden.

Die Kampagne „Freier Weizen statt Konzerngetreide“ fordert, dass derartige Forschungsförderung eingestellt und stattdessen ein Förderschwerpunkt auf bäuerliche Züchtung auf dem Feld gelegt wird.

Konzerne gehen uns auf den Keks – Freier Weizen statt Konzerngetreide!

Die Bundesregierung unterstützt zur Zeit intensiv, was Bayer, Syngenta und die anderen Saatgutriesen mit dem Weizen vorhaben. Das geht uns (nicht nur) beim Backen mächtig auf den Keks!

Beinahe alle großen Saatgutkonzerne arbeiten derzeit an der Entwicklung von Hybridweizen. Mittels gentechnischer Verfahren kastrieren sie den Selbstbefruchter Weizen, um ihm dann Hybridnachkommen aufzuzwingen. Denn Hybride passen Konzernen perfekt ins Konzept – weil die späteren Samen von solchen Pflanzen nicht wieder ausgesät werden können und deshalb Bäuerinnen und Bauern gezwungen sind, jedes Jahr neues Saatgut einzukaufen. Gerade bei Weizen wäre das weltweit katastrophal: Bisher wird das Saatgut für dieses Getreide, das zusammen mit Mais und Reis weltweit wichtigste Nahrungspflanze ist, noch zu einem großen Teil von Bauern aus der eigenen Ernte gewonnen.

Zugleich geht ein Entwurf für ein neues Gesetz zu Gentechnik in der Landwirtschaft in die letzte Abstimmungsrunde. Auch hier zeigt das Bundeskabinett größtes Verständnis für die Gentechnikkonzerne: Verbote sollen extrem erschwert werden. Zwar kann der Bundesrat ein bundesweites Verbot beschließen, aber gleich sechs Bundesministerien haben – jedes einzeln – das Recht, das Verbot zu kippen. Auch jedes Bundesland kann mit einem Veto ausscheren und den Anbau doch möglich machen.

Gründe genug, um zwischen Nikolaus und dem 13.12. im Rahmen der „Aktionstage für freien Weizen“ auf die Straße zu gehen. Weitere Infos dazu folgen.