Fairpachten

Eigentum verpflichtet. Große Teile der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland gehören Privatpersonen, der Kirche oder Kommunen, die das Land an Höfe verpachten. Doch wie können diese Landeigentümer:innen Verantwortung dafür übernehmen, dass ihr Land für eine naturverträgliche und gleichzeitig bäuerliche Landwirtschaft eingesetzt wird?

Mit dieser Frage wurden Eigentümer:innen lange Zeit allein gelassen. Um genau diese Lücke zu schließen, gründete sich das Projekt „Fairpachten“. Wir sprachen mit Ralf Demmerle, einem der fünf Regionalberater:innen des Projektes, der für die Region Mitte und Ost zuständig ist.

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Verpächter Peter Koswig im Gespräch mit Landwirt Frank Rumpe. Foto: Sabrina von der Heide

Wie funktioniert‘s? – „Wer Eigentum hat, kann auch was tun.“

Fairpachten wurde durch die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe initiiert und wird im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt gefördert. Das Team besteht aus acht Projektmitarbeitenden sowie ehrenamtliche Unterstützer:innen. Da die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe selbst zahlreiche landwirtschaftliche Flächen kauft oder übereignet bekommt, beschäftigt sie sich schon seit Langem mit der Frage, wie diese Flächen sowohl landwirtschaftlich genutzt werden, als auch gleichzeitig Lebensräume für Artenvielfalt bieten können.

 Für uns ist klar: Naturschutz muss mit der Landwirtschaft kooperieren.“ Daher erarbeitete die NABU-Stiftung Nationales Naturerebe eigene Pachtverträge mit naturschutzfachlichen Aspekten. „Wir erhielten jedoch auch immer mehr Anfragen von Privatpersonen, Kirchen und Kommunen, die sich ebenfalls mehr Naturschutz auf ihren Flächen wünschten, aber nicht wussten, wie sie dies umsetzen können.“ Aus diesem Beratungsbedarf heraus wurde „Fairpachten“ ins Leben gerufen. 

Fairpachten berät Grundeigentümer:innen, welche Naturschutzmaßnahmen auf ihren Flurstücken sinnvoll sein könnten (bspw. ein Blühstreifen zum Waldrand hin) und wie diese in einem Pachtvertrag vereinbart werden können. Dazu stellt Fairpachten verschiedene Materialien zu Naturschutzmaßnahmen, sowie einen Musterpachtvertrag zur Verfügung. Diese Beratung braucht es auch, denn „die Landeigentümer sind oft landwirtschaftsfremde Leute“. Der Fokus liegt darauf, die Eigentümer:innen zu unterstützen, damit sie auf Augenhöhe mit den Landwirt:innen verhandeln können, und gemeinsam zu entwickeln, welche Naturschutzmaßnahmen gut zur jeweiligen Fläche passen.

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Artenreiche Blühfläche. Foto: Frank Gottwald

Wie kommt das bei den Landwirten an?

Es will klargestellt sein: „Wir beraten nicht den Pächterwechsel, sondern Ziel ist es, eine Einigung über die Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen mit dem aktuellen Pächter zu finden. So ist die Resonanz bei den Landwirtenauch „in der Regeleher positiv.“ Fairpachten selbst berät nur die Landeigentümer:innen, ohne sich an den konkreten Verhandlungen zu beteiligen. Eine Möglichkeit, wie sich Verpächter:in und Pächter:in entgegenkommen können, kann aber der Pachtpreis sein. Meistens bleibt dieser sogar unter dem ortsüblichen Niveau. „Dafür machen die Landwirte dann etwas zusätzlich und haben dann auch noch eine günstige Pacht, dann ist ja für alle was gewonnen“. Nachdem die Eigentümer:in zu passenden Naturschutzmaßnahmen beraten wurden, kann diese:r ins Gespräch mit dem Pächter bzw. der Pächterin gehen. Der Vorschlag ist dann, eher fragend an den Betrieb heranzutreten und zu vermitteln „ich wünsche mir, dass wir gemeinsam etwas für die Biodiversität auf meinen Flächen zu tun.. Manchmal bietet es sich auch an, den:die Pächter:in selbst Vorschläge hierfür machen zu lassen. „Da hatte ich schon einige Fälle, wo der Landwirt weit über das Ziel hinausschießt, das wir uns gesetzt hatten – dann sind natürlich alle glücklich.“

Das Ganze findet in Kooperation mit den Landwirten statt, da wird nicht einfach ein Pachtvertrag aufgesetzt und fertig. Nein, da findet ein Gespräch statt.Das Motto ist „Hand in Hand“. So werden sich auch die meisten Verhandelnden schnell einig. Für die Landwirt:innen bedeutet das manchmal zwar mehr Aufwand,  hat aber auch Vorteile: Für die zusätzlichen Maßnahmen können teilweise Förderungen beantragt werden. Stark wiegt auch der persönliche Austausch zwischen Landwirt:in und Eigentümer:in. Wer sich einmal einig wird, geht eine persönlichere Bindung ein und durchbricht die Anonymität der meisten Pachtverträge, durch die die Höfe bei jeder neuen Pachtperiode bangen müssen, ihre Flächen an Höherbietende zu verlieren. Anfängliche Kritik seitens einiger Landwirt:innen und des Bauernverbands konnte so bereits mit guten Argumenten und erfolgreichen Praxisbeispiele begegnet werden.

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Das Berater:innenteam von Fairpachten. Foto: Sabrina von der Heide

Wie geht’s weiter und was kannst du dazu beitragen?

Wir haben uns auf die Fahne geschrieben: Jeder Quadratmeter zählt!“ Das Projekt läuft bisher gut. Das steigende Bewusstsein in der Gesellschaft über die Auswirkungen gängiger landwirtschaftlicher Praxis „hat auch den Blick unserer Eigentümer auf ihr Land geschärft“. Die potentielle Nachfrage nach der Beratung ist riesig. Sobald das Thema in der Öffentlichkeit platziert wird, rufen Leute an. Weitere Öffentlichkeitsarbeit ist also gern gesehen, da viele noch nichts von dem Angebot wissen. Da das Eigentum in den meisten Regionen so breit gestreut ist, ist es herausfordernd, die anonyme Masse an Flächeneigentümer:innen zu erreichen.

Bereits jetzt wird Fairpachten von einem Pool an Ehrenamtlichen unterstützt, die unterschiedlichste Aufgaben übernehmen. Falls du selbst Lust hast, zu einer naturverträglicheren Verpachtung aktiv beizutragen, kannst du dich direkt bei Ralf melden. Daneben kannst du dich auch bei deinen Verwandten und Freunden mal umhören, wer vielleicht Land hat und wie das verpachtet wird. Ganz im Sinne von: „Wer Eigentum hat, kann auch was tun.“ Und Fairpachten bietet hilfreiche Materialien, die gerne an Bekannte, an die Gemeinde, Kirche oder an anderen geeigneten Stellen verteilt werden können. Außerdem gibt es seit Sommer 2021 eine Wanderausstellung, die durch Deutschland tourt. Hier werden immer Interessierte gesucht, die die Ausstellung zu sich in die Region holen und vor Ort betreuen.

Was bleibt?

Eine Win-Win-Win-Situation für Eigentümer:innen, Natur und Landwirt:innen ist also möglich. Wir finden, Fairpachten leistet neben einem einmaligen Beratungsangebot auch einen wertvollen Beitrag dazu, den Dialog zwischen Bevölkerung, Naturschutz und Landwirtschaft zu fördern. Genau von solchen wohlwollenden Gesprächen auf Augenhöhe brauchen wir mehr! Und zuletzt: „Das Projekt würde es nicht geben, wenn wir die Probleme nicht hätten.“ Bis Umweltleistungen ausreichend gefördert werden und wir eine zukunftsfähige, naturverträgliche Landwirtschaft in die Fläche gebracht haben, ohne dabei weiter Unmengen an Höfen zu verlieren, freuen wir uns über eine weitere Initiative wie diese, die sich bemüht, dass mit Land verantwortungsvoll umgegangen wird.

Wir danken Ralf Demmerle für das Gespräch und wünschen vielerorts Inspiration und spannende Gespräche.

Die Fotos wurden uns von Fairpachten zur Verfügung gestellt – danke!