Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft

Gemeinsam laut werden gegen ungerechte Landvergabe? Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) zeigt wie. Seit den Anfängen des Land Grabbings in Deutschland setzen sich die Bauern und Bäuerinnen der AbL mit dem Thema auf vielseitige Weise auseinander und sind dabei eine gewichtige Stimme beim Kampf gegen ungerechte Landvergabe geworden.

Mit kreativen Aktionen wie der jährlichen Vergabe des Schmähpreis “Heuschrecke des Jahres” an außerlandwirtschaftliche Investoren, die sich landwirtschaftliche Flächen unter den Nagel reisen, verschaffen sie sich Gehör. 

„Wir wollen mit dieser Preisverleihung die Bevölkerung und die Politikauf die massive Übernahme von Flächen durch außerlandwirtschaftliches Kapital aufmerksam machen, weil dies eine existenzielle Bedrohung für den Fortbestand einer bäuerlichen und regional verwurzelten Landwirtschaft bedeutet!“, so Michael Grolm, Landesvorsitzender der AbL Mitteldeutschland.

Vom kleinen, kirchlichen Bauernkreis zum Wegbereiter der Agrarwende?

Die AbL ist in den 70ern aus einem regionalen Bauernkreis entstanden, der sich mit ähnlichen agrarstrukturellen Themen des globalen Südens und Deutschlands auseinander setzte – einer Agrarpolitik, die strukturell kleinbäuerliche Betriebe schwächt und das Geld den Großbetrieben in die Hände spielt.

Das sorgte sowohl dort als auch hier für Unmut und lässt die AbL seit fast 50 Jahren für eine soziale, umweltverträgliche, bäuerliche Landwirtschaft auf die Barrikaden gehen. Dabei ist die AbL „in erster Linie Landwirt:innen-Vertretung“ – neben Acker, Kuh und Gemüsebeet engagieren sich deutschlandweit Landwirt:innen für- und miteinander für eine zukunftsfähige Landwirtschaft!

Dank Berit Thomsen, der Geschäftsführerin des Landesverbands Schleswig-Holstein, haben wir einen umfassenden Einblick in das Engagement der AbL erhalten. Zum Beispiel räumt die AbL mit dem Vorurteil auf, dass biologische und konventionelle Landwirt:innen nicht an einem Strang ziehen könnten.

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Foto: AbL/WHES

Narrativ bio vs. konventionell umdenken

Die AbL ist zu einer Zeit entstanden, in der die Gräben zwischen bio und konventionell noch nicht so tief waren. Heute üben sich Medien wie Politik darin, die Gräben und das Schwarz-Weiß Denken zu betonen, obwohl die meisten Bio- und Nicht-Bio Landwirt:innen einen kollegialen, wertschätzenden Umgang miteinander haben. Bei der AbL werden die vermeintlichen Gräben überbrückt und Bauern und Bäuerinnen setzten sie sich nach wie vor gemeinsam dafür ein, dass Naturschutz mit wirtschaftlichen Perspektiven verknüpft wird. Denn „unter Kostensenkungsdruck lässt sich keine faire Landwirtschaft gestalten“.

Schrei nach fairer Landvergabe

„Gerechte Landvergabe“ schrie es der AbL nach der Wende vor allem von ihren ostdeutschen Mitgliedern immer lauter zu. Bäuerliche Strukturen zu erhalten gehört zu den Zielen der AbL, somit steht für die AbL fest: Ackerland in Bauernhand. Neben der Gefährdung der bäuerlichen Landwirtschaft sieht die AbL durch die Flächenübernahme großer Investor:innen gesellschaftliche Ziele wie Biodiversität und nachhaltige Bewirtschaftung für die Landwirtschaft in Gefahr.

Die AbL habe seit der Wende eine wichtige Rolle im Kampf für eine gerechte Landvergabe eingenommen. „Ich glaube, dass es in Ostdeutschland so ein Thema um die Landvergabe gibt, ist der AbL mit zuzuschreiben“, so Berit Thomsen.

Wie schafft es die AbL, neben ironischen Preisvergaben, immer wieder für ein Thema öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen, das viele Medien und die Politik vernachlässigt haben? Gemeinsam mit Jurist:innen begleitet sie Bauern und Bäuerinnen rechtlich und prüft die aktuelle Gesetzeslage. Anhand dessen werden Positionspapiere zu gegenwärtigen Themen veröffentlicht, die auch als politische Entscheidungsgrundlage dienen können. Die Redaktion der AbL veröffentlicht die Zeitung “Unabhängige Bauernstimme” und schreibt Newsletter, um auch Menschen außerhalb der Landwirtschaft auf dem Laufenden zu halten. Landwirt:innen organisieren gemeinsam Kundgebungen, um auf ihre prekäre Lage aufmerksam zu machen und veranstalten pressewirksame Aktionen.

Trotz vieler Fortschritte und vor allem einer zunehmend interessierten Öffentlichkeit, die Druck auf die Politik ausübt, gilt es immer wieder mit Rückschlägen umzugehen. So ist in Sachsen-Anhalt abermals ein Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz zur Regulierung des Bodenmarktes an der Lobbyarbeit von Großgrundbesitzenden und Investor:innen gescheitert. Deshalb brauchen wir eine gute Öffentlichkeitsarbeit, wir brauchen das Land undbrauchen Verbündete!“

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Foto: AbL/WHES

Gerechte Bodenvergabe, wie läuft das… NICHT?

Verbündete braucht auch Milchbauer Jaacks aus Hamburg, der sich jüngst an die AbL gewandt hat, da sein Pachtland an ein Immobilien-Ehepaar verkauft wurde. Herrn Jaacks, langjähriger Pächter der Flächen am Hamburger Stadtrand, wurde vor dem Verkauf gar nicht mitgeteilt, dass das Land zum Verkauf steht. Er konnte sein gleich hohes Kaufangebot erst nach offiziellem Verkauf abgeben. Damit wurde ihm sein Vorkaufsrecht als Vollerwerbsbetrieb genommen. Berit ist sich sicher, dass Herr Jaacks den Zuschlag erhalten hätte. Schließlich betreibt er seit 15 Jahren Landwirtschaft auf den Flächen und leistet als einer der wenigen Bauern in Hamburg einen wertvollen Beitrag zur Nahversorgung der Millionenmetropole. Stattdessen will das besagte Ehepaar auf den Flächen jetzt einen Pferdehof für gut betuchte Hamburger:innen etablieren. Landwirtschaftliches Flächennutzungskonzept? – Fehlanzeige!

Was sie von den Plänen der Investoren zu Ungunsten des Bauers halten, haben AbL Mitglieder und die Familie Jaacks letztes Jahr mit Traktoren und Kühen vor dem Hamburger Rathaus deutlich gemacht. Nach der Kundgebung war klar, dass das letzte Wort zum Kauf der Pachtflächen noch nicht gesprochen ist.

Herr Jaacks hat Klage gegen den Verkauf eingereicht und wird dabei von der AbL politisch unterstützt. Es geht nun darum, gemeinsam alle Mittel auszuschöpfen und durch eine präsente, fordernde Öffentlichkeit dafür zu sorgen, dass das Verwaltungsgericht ihnen „nicht die Tür vor der Nase zuschlägt, denn inhaltlich ist es richtig zu klagen“. Rechtlich sieht es für Bauer Jaacks leider, dank veraltetem Grundstücksverkehrsgesetz, nicht so gut aus. Bleibt zu überprüfen, „ob nicht auch im System etwas falsch ist“.

DEU, Hamburg, 2020, 22.09.2020, Aktion der AbL (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft) auf dem Rathausmarkt Hamburg, Copyright : Fred Dott, http://www.freddott.de

Foto: AbL

Mit einem Bodenmarktrecht aus den 60ern die Agrarwende lostreten?!

„Das System“ ist vor allem veraltet. Denn das jetzige Bodenmarktrecht stammt aus den 60er Jahren, damals hatten die meisten Betriebe Eigentumsflächen. Jetzt hat sich das Verhältnis laut Berit gewandt, die meisten Betriebe haben Pachtflächen,„deshalb adressiert das Bodenmarktgesetz die meisten Betriebe überhaupt nicht“. Die AbL fordert aus diesem Grund eine Reformierung des Bodenmarktgesetzes.

Der Fall Jaacks zeige deutlich, welche Stellschrauben es zu drehen bedarf. Es braucht ein agrarstrukturelles Leitbild, in dem festgehalten ist, dass bei der Flächenvergabe umweltschonende, soziale, bäuerliche Landwirtschaft bevorzugt wird. Es braucht Transparenz im Verkaufsprozess und diese muss verbindlich und sanktionierbar sein. Zusätzlich bräuchte es Berits Meinung nach ein Klagerecht für Pachtende, denn laut aktuellem Grundstückverkehrsgesetz können sowohl Käufer:in als auch Verkäufer:in klagen, während Pachtende keinen rechtlichen Anspruch haben. Und last but not least fordert Berit mit der AbL eine Grenze für Pacht- und Landpreise […], damit Betriebe den Kauf auch aus ihrer wirtschaftlichen Lage heraus leisten können“.

Was können wir mitnehmen…

DieArbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ist der einzige Bauernverband, der die Systemfrage stellt und in vielfältigen Bündnissen zusammen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen für eine echte Agrarwende eintritt. Durch ihren langjährigen Einsatz hat sie sich oftmals Gehör verschafft und durch ihre vielfältigen Mitglieder nie das Gespür für brennende landwirtschaftliche Themen verloren. Mit unermüdlicher Ausdauer räumt sie mit ausgelutschten Narrativen auf und zeigt offene Ohren für andere Perspektiven.

Die AbL steht dafür ein, was sich ein Großteil der Gesellschaft wünscht: eine faire Landvergabe für eine umweltschonende, soziale, bäuerliche Landwirtschaft!