Green Scenery

Was tun gegen Investor:innen, die sich massenhaft und weltweit das immer knapper werdende Ackerland einverleiben? Die dort, wo Bäuer:innen ihre Felder und ihre Existenzgrundlage hatten, ganze Landstriche mit Palmölplantagen veröden? Green Scenery in Sierra Leone hat ein Werkzeug im Kampf gegen die Kapitalanleger:innen gefunden: Die Verbreitung von Informationen.

Wir haben mit Joseph Rahall gesprochen, der Geschäftsführer und Gründer von Green Scenery ist. Green Scenery setzt sich in Sierra Leone Seite an Seite mit Bauern und Bäuerinnen dafür ein, dass diese bei der Landvergabe endlich gehört und ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Anhand von Gesprächen und Studien offenbaren sie in betroffenen Gemeinden, was wirklich passiert, wenn in Ländern des Globalen Südens im großen Stil Flächen aufgekauft werden.

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Wo alles begann…

Es war im Jahr 1989, als Joseph Rahall noch als High School Lehrer arbeitete und beobachtete, wie die Abholzung in Sierra Leone immer dramatischer wurde und die schönen grünen Landschaften der Berge immer weiter verschwanden. „Daher kommt der Name Green Scenery: Grüne Landschaft, wie es sie zu dieser Zeit noch ausgiebig gab.“ Joseph Rahall wurde immer besorgter über die Umweltzerstörung und mobilisierte seine Kolleg:innen und viele der Schüler:innen. Gemeinsam machten sie es sich zur Aufgabe, den Schutz der Umwelt anzugehen. Im Laufe der Jahre konnte Green Scenery immer mehr Schulen in der Hauptstadt und letztlich auch Gemeinden und Umweltinitiativen erreichen. Als der Bürgerkrieg 1991 in Sierra Leone begann, verließ Joseph Rahall das Schulsystem. Durch seinen Einsatz wurde Green Scenery eine NGO. 

Green Scenery gegen Landgrabbing

Ab 2008 fokussierte sich die NGO dann immer mehr auf die Besitzverhältnisse der Flächen, denn die Landnahmen in Sierra Leone weiteten sich in dieser Zeit dramatisch aus (wie auch in vielen anderen afrikanischen Ländern) (1). Sierra Leone war zu dieser Zeit noch stark vom 11-jährigen Bürgerkrieg (1991-2002) getroffen. Das Land war geprägt von einer ungleichen Verteilung von Ressourcen, von Korruption und rechtlichen Unsicherheiten. In dieser Situation boten sich viele Gelegenheiten für Investor:innen, in Landgeschäfte einzusteigen. So wurde mindestens 21 % des landwirtschaftlich nutzbaren Landes zwischen 2009 und 2012 mit langjährigen Pachtverträgen (mind. 50 Jahre) an industrielle Großbetriebe vergeben. Auf den Flächen ließen die Pächter:innen vor allem Palmöl und Agrotreibstoffe für als Exportprodukte anbauen (Landmatrix, 2021). Problematisch dabei: Einen großen Teil dieser Flächen bewirtschafteten davor (Klein-)Bäuer:innen. Für etwa die Hälfte der Erwerbstätigen in Sierra Leone ist Landwirtschaft die Existenzgrundlage.

Wir haben mitbekommen, dassrechtmäßige Landbesitzer:innen, nachdem die Regierung Investoren ihre Türen geöffnet hatte, Probleme bekamen und dass die Gemeinden sehr hilflos waren. Sie wussten nicht, was sie tun sollen. Sie leisteten Widerstand und der Widerstand führte wiederum zu Konflikten mit den Sicherheitskräften.“

Dabei kam es zu Menschenrechtsverletzungen und Green Scenery beschloss, die vom Landraub betroffenen Menschen zu unterstützen. Doch das Thema war für Green Scenery zunächst Neuland. Ein ganzes Jahr lang brauchten die Engagierten, um sich in das komplizierte Thema ausreichend einzuarbeiten. Sie recherchierten die Gesetzeslage, suchten verantwortliche Institutionen in der Verwaltung und versuchten, ursprüngliche Grundstückseigentümer:innen und zentrale Akteure ausfindig zu machen.

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Es wird ernst

Besonders ein Unternehmen nahm die Green Scenery zuallererst ins Visier: Den multinationalen agrarindustriellen Konzern Socfin. Socfin ist ein Luxemburger Unternehmen, hat sich auf den Anbau von Ölpalmen und Kautschuk (Gummi) spezialisiert und baut seine Plantagen in afrikanischen und asiatischen Ländern seit Jahren enorm aus. Die Investor:innen des Socfin Unternehmens kamen mit verlockenden Angeboten nach Sierra Leone: Sie versprachen 10.000 neue Arbeitsplätze, die bevorzugt an lokale Arbeiter:innen vergeben würden, die volle Entschädigung beim Landkauf, neue Schulen, bessere Infrastruktur und ein neues Krankenhaus. Damit konnten sie schließlich die Regierung und andere Entscheidungsträger:innen vor Ort überzeugen. 2013 startete das Unternehmen mit der Übernahme von 6.500 ha. Insgesamt sollten 30.000 ha erworben werden, allein in Sierra Leone.

In einer ihrer ersten Studien zum Thema untersuchte Green Scenery wie die Landnahmen des Unternehmens Sofcin vor Ort abliefen und welche Auswirkungen sie hatten. Hierzu fuhren sie in betroffene Gemeinden und führten Interviews mit Bewohner:innen, den Vorsteher:innen der Distrikte (Paramount Chiefs), den Stadtvorsteher:innen (Town Chiefs) und den Landbesitzer:innen (2). Auch relevante Politiker:innen (z.B. vom Ministry of Agriculture, Forestry and Food Security, MAFFS) und Verantwortliche des Socfin Hauptquartiers in Luxemburg bezogen sie in ihre Befragungen mit ein. In ihrer Studie stellten sie fest, dass bei der Landvergabe an Socfin relevante Akteure aus den Dörfern nicht miteinbezogen, Landbesitzer:innen und Stadtvorsteher:innen in Anwesenheit von Sicherheitskräften zu Unterschriften gedrängt wurden und die Kompensationszahlungen so lächerlich waren, dass die Landbesitzer:innen davon ausgingen, sie würden jährlich und nicht einmalig gezahlt werden (3). Der gesamte Prozess führte zu vielen Konflikten, zwischen Familienmitgliedern und innerhalb von Gemeinden.

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Wissen ist die wichtigste Grundlage zur Verteidigung

Weitere Studien folgten. Wie die Studie „Who ist benefiting“ (4), in der Green Scenery mit anderen Forscher:innen feststellen musste, wie sehr sich die Situation der betroffenen Gemeinden nach den Übernahmen durch Unternehmen wie Addax Bioenergy, Sierra Leone Agriculture oder Socfin Agricultural Company in Sierra Leone verschlechtert hatte. Allen guten Versprechungen zum Trotz verringerte sich in allen untersuchten Gebieten der Zugang zu Bildung, Armut nahm zu und Lebensmittel wurden teurer. Insgesamt nahmen die Lebensqualität und die Gesundheit in der betroffenen Gemeinden deutlich ab.

Mit den Ergebnissen ihrer Studien geht Green Scenery in die betroffenen Dörfer und in Gebiete wo Landnahmen geplant sind und informiert die Gemeinden über die Methoden der Konzerne und ihre falschen Versprechen.

Wir gehen nicht nur dorthin und erzählen etwas, wir betreiben Forschung und sichern uns ab, dass die Beweise eindeutig sind. Und sobald die Beweise deutlich sind, präsentieren wir die Berichte.“

So sollen Landbesitzer:innen über die Hintergründe und Folgen der Landgeschäfte bestmöglich informiert werden. Mit dieser Basis an verlässlichen Informationen sind sie in ihren Entscheidungen nicht mehr nur auf die Aussagen der Investor:innen angewiesen.

Was bleibt?

Green Scenery hat es geschafft, ein anderes Bewusstsein für das Thema Zugang zu Land in Sierra Leone zu schaffen. Das Thema wird zunehmend auch von der Regierung ernst genommen. Die Regierung betreibt inzwischen eine rücksichtsvollere Landpolitik. Dabei hat Green Scenery hat eine aktive Rolle gespielt und geholfen, der Landpolitik Kontext und Inhalt zu bieten.

Und auch bezogen auf die Gemeinden konnten wir das Bewusstsein der Leute rund um das Landthema stärken. Wir sind jetzt im ganzen Land vertreten. Und du wirst bemerken, dass es keinen Teil von Sierra Leone gibt, wo du hingehen und über Land sprechen wirst und Leute sich nicht zum Thema positionieren können. Das ist etabliert. Es gibt es mittlerweile viel Wissen und Bewusstsein um Landthemen in Sierra Leone.

Green Scenery hat der Ohnmacht im Kampf gegen die intransparenten Landgeschäfte großer Konzerne etwas entgegengesetzt. Längst ist es für Investor:innen in Sierra Leone nicht mehr so einfach unbeobachtet ihre Landgeschäfte abzuwickeln. Und der Widerstand im ganzen Land wächst weiter.

Wir wünschen Green Scenery und anderen Organisationen einen weiterhin  erfolgreichen Kampf um die Rechte von Bauern und Bäuerinnen weltweit!

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(1) Seit der weltweiten Nahrungsmittelkrise im Jahr 2008 nimmt die Nutzung ausländischer Landflächen enorm zu. Dies ist generell ein globaler Trend, doch ein großer Teil der Landnahmen passieren seitdem auf dem afrikanischen Kontinent (vgl. Weltagrarbericht).

(2) In Sierra Leone gibt es (parallel zur staatlichen Gliederung) eine ursprüngliche Verwaltung durch sogenannte „Chiefs“. Diese sind in bestimmten Gebieten Oberhaupt und gelten als Autoritäten. In Sierra Leone hat der Paramount-Chief das oberste Amt in einem von 13 Distrikten in Sierra Leone inne.

(3) The Socfin Land Deal Missing Out On Best Practices, Green Scenery, 2011, http://greenscenery.org/socfin-missing-out-on-best-practices/ 

(4) Who is benefiting?, J. Baxter, 2013, http://greenscenery.org/who-is-benefiting/

Die Fotos wurden uns Green Scenery zur Verfügung gestellt, vielen Dank!