Open Olitor – Solidarische Software für die Solidarische Landwirtschaft

An einem windigen Donnerstagmittag radeln wir auf das Hofgelände der Solawi BAUERei in Potsdam Grube. Inmitten romantisch bewachsener Hofgebäude und unter den wachsamen Augen eines gackernden Truthahns herrscht geschäftiges Treiben: Unzählige Gemüsekisten werden gepackt und für die acht Verteilstationen vorbereitet.

Digitalisierung in der Gemeinschaftsküche

Etwas abseits vom Gewusel werden in der Gemeinschaftsküche Waffeln gebacken, großzügig belegt und an alle verteilt. Im Waffelduft sitzend klappt Frieda, ein Mitglied der Solawi, ihren Laptop auf – und öffnet Open Olitor.

Jeden Donnerstag gibt es Küche für alle Fahrer:innen und Mitglieder, die Lust auf Austausch haben – heute gibt es Waffeln! (Bild: P. Schrade, 2025)

Was etwas fremd und wie ein Zauberspruch klingt, entpuppt sich als digitale Organisationshilfe. Die Suchmaschine verrät: „Olitor“ ist Latein und bedeutet Gemüsegärtner:in – passender könnte der Name für eine Software kaum sein, die Solawis wie der BAUERei die Verwaltung erleichtert. So wird mehr Zeit frei für die Arbeit auf dem Acker und für das Gemüse. Die Software übernimmt viele Aufgaben, wie die Planung der Ernteverteilung oder auch den automatischen Einzug von Mitgliedsbeiträgen. Zudem kann die Kommunikation innerhalb der Solawi über das Programm laufen und erleichtert es den Mitgliedern, ihre Arbeitseinsätze zu planen. 

Frieda zeigt uns, wie’s funktioniert: Jedes der 133 Mitglieder ist im System angelegt. Wer wie viele Ernteanteile bekommt, in welchem Depot die Kiste abgeholt wird, ob monatlich oder jährlich gezahlt wird – all das lässt sich mit wenigen Klicks verwalten. Das Programm erstellt automatisch Packlisten für Fahrer:innen und Ernteanleitungen fürs Ackerteam. Zettelwirtschaft war gestern.

Lene bereitet mithilfe der Listen von Open Olitor die Ernteanteile vor (Bild: P. Schrade, 2025)

Wie alles begann: Open Source als Prinzip

Die Idee zum Programm entstand bereits 2014 in der Schweiz. Alwin Egger, Mitbegründer der Berner Solawi Soliterre und Softwareentwickler bei der Berner Genossenschaft Tegonal, ist Visionär der ersten Stunde. „Uns war schon bei der Gründung unserer Solawi 2009 schnell klar, welch enormen Bedarf es für eine digitale organisatorische und logistische Unterstützung unseres Projekts geben würde“, sagt uns Alwin in unserem Videogespräch aus Bern zugeschaltet. Tegonal entwickelt Softwarelösungen mit Fokus auf Open Source – also auf offen zugänglichem Code, den andere frei nutzen, weiterentwickeln und teilen können. Auch Open Olitor folgt diesem Prinzip. Von Beginn an floss viel ehrenamtliche Arbeit ins Projekt, getragen von Menschen, die selbst tief in der Solawi-Bewegung verwurzelt sind.

„Durch den engen Austausch mit anderen Schweizer Solawi-Projekten sahen wir, dass der Bedarf für eine digitale Lösung weit über unsere Solawi hinausgeht“, erläutert Alwin. „Also war für uns schnell klar, dass wir es nicht nur für uns selbst entwickeln, sondern möglichst offen für andere Solawi-Projekte mitdenken wollten.“

Vernetzung über Ländergrenzen hinweg

Die Idee war, die Software in der Grundausstattung frei zur Verfügung zu stellen. Zudem sollte sie nicht nur gut nutzbar und mit verschiedenen Funktionen ausgestattet, sondern vor allem auch langfristig attraktiv sein. Denn Solawi-Initiativen und Höfe brauchen die Perspektive, dass die Software durch Wartung und Support auch in mehreren Jahren noch zur Verfügung steht.

2015 wurde der Verein Open Olitor gegründet. Ein Jahr später begann die Zusammenarbeit mit der deutschen Initiative sunu. Deren Entwicklerin Carolin Gruber hatte bereits einige Vorarbeit geleistet. Heute organisiert der Schweizer Verein das „Onboarding“ und hilft Schweizer Solawis beim Start mit dem Software, während sunu diese Aufgabe für die deutschen Solawis übernimmt. Tegonal stellt als Technologiepartner längerfristig sicher, dass die Software weiterentwickelt und gewartet wird.

Mit Open Olitor lassen sich die Mitgliederabos verwalten, die Ernteverteilung organisieren oder aber auch Arbeitseinsätze planen (Bild: T. Besser, 2025)

„Es macht dein Leben einfach leichter“

„Das Tolle an Open Olitor ist, dass es von Leuten getragen wird, die wirklich für die Idee der Solawi brennen“, betont Mikel Cordovilla unserem Gespräch mit ihm. Er suchte 2016 für seine irische Solawi eine digitale Lösung und landete so bei Tegonal. Bald tüftelte er mit am Open Olitor und ist heute als Software-Entwickler Teil von Tegonal. „Gleichzeitig bräuchte das Projekt eine bessere finanzielle Ausstattung, denn das Onboarding neuer Solawis ist sehr beratungs- und betreuungsintensiv und kann nicht ausschließlich ehrenamtlich von uns geleistet werden“, gibt Mikel dennoch zu bedenken.
 
Das ist ein Problem, mit dem Open-Source-Initiativen immer wieder zu kämpfen haben. Am Anfang steht viel motivierte Ehrenamtsarbeit, die innovativ Problemlösungen schafft. Aber dann bräuchte sie eigentlich eine langfristige finanzielle Unterstützung. Und auch Open Olitor steht vor der Frage, wie es langfristig weitergeht. Viele Solawis haben selbst knappe Budgets, und Software steht selten ganz oben auf der Prioritätenliste. Aber wie Mikel auch mit Blick auf die Alternativen für endlose Excel-Tabellen und Zettelwirtschaft lachend hinzusetzt: „It just makes your life so much easier!“

Das geerntete Gemüse wird für den Transport zu den Verteilstationen in Potsdam verladen (Bilder: P. Schrade, 2025)

Digitale Gemeingüter brauchen Unterstützung

Auch wir haben bei unseren Recherchen Open Olitor als starkes Hilfsmittel für den Solawi-Alltag erlebt – ein Projekt, das mit viel Engagement und technischem Know-how entstanden ist und die Idee von Open Source sinnvoll mit den Bedürfnissen der Solawi-Bewegung verbindet. Gleichzeitig hörten wir immer wieder von fehlenden Funktionalitäten und zeitweise wenig Support vonseiten der Entwickler. Aus unserer Sicht sind dies jedoch auch nachvollziehbare Schwächen eines Projekts, das auf viel ehrenamtlicher Arbeit und knappen Mitteln basiert und es dennoch schafft ein sehr umfangreiches Angebot zu machen, dass über die einzelne Solawi hinaus funktioniert.

Umso deutlicher wird für uns: Wenn digitale Werkzeuge im gemeinwohlorientierten Bereich langfristig tragfähig sein sollen, brauchen wir nicht nur Idealismus – sondern auch strukturelle Förderung und verlässliche Finanzierung. Und auch Nutzer*innen müssen stärker bereit sein, sich an den Kosten zu beteiligen – denn Open-Source-Software kann langfristig nur funktionieren, wenn Weiterentwicklung und Betreuung fair finanziert werden.

Spenden

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