Aktionsradtour 2020 – unser Bericht

Nach eifrigen Vorbereitungen war es am 15. September endlich soweit: Für unsere Fahrrad-Aktionstour zum Thema “Saatgut als Gemeingut?!” sind am Dienstag 25 Teilnehmende aus dem ganzen Bundesgebiet angereist. Angemeldet hatten sich sowohl Saatgut-Neulinge als auch Landwirt*innen, studierte Pflanzenzüchter*innen und Agrarwissenschaftler*innen.

Dem Saatgut auf der Spur sind wir gemeinsam durch Sachsen-Anhalt vom Harz über Magdeburg bis Stendal geradelt, um vielfältige Eindrücke zu sammeln und mit Expert*innen und Entscheidungsträger*innen zu diskutieren.

Mit bunten Bannern und Fahnen verziert ging’s von Quedlinburg aus zu unserer ersten Station, dem Dreschflegel-Hof Ökogartenbau Rienäcker in Thale. Dort vermehren und entwickeln Gerald Krebs und Regina Rienäcker seit 20 Jahren einen Teil des Bio-Saatguts von Dreschflegel.

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Der Betrieb liegt idyllisch am Rand der Stadt und ist einer der kleinsten in der Dreschflegel-Gemeinschaft. Manche Sorten werden auf nur 4-5 Quadratmetern angebaut! Jeder Betrieb findet im Laufe der Jahre eine Mischung von Sorten, die für den Verkauf an Landwirt*innen und Hobbygärtner*innen unter hohen Qualitätsansprüchen vermehrt werden und am eignen Standort gut funktionieren. Zur Philosophie der Gemeinschaft zählt, dass sie die Produktion und die Vermarktung des Saatguts in ihren eigenen Händen halten wollen. Nur so können sie auch davon leben. Damit das Saatgut den Qualitätsansprüchen entspricht, muss es gereinigt werden. Voller Enthusiasmus führt Gerald Krebs uns seine zum Teil selbst entwickelten Geräte und Maschinen vor: verschieden große und unterschiedlich gelochte Siebe bis hin zu aufwendig konstruierten kleinen Maschinen, bei denen die Bohrmaschine oder ein Staubsauger angeschlossen werden können.

In den letzten Jahrzehnten hat sich auch der Markt für Gemüsesaatgut stark konzentriert. Viele Marken sind unter dem Dach einer Handvoll Firmen gelandet, die das Saatgut inzwischen häufig im Ausland produzieren. Große Saatgutkonzerne haben völlig andere Möglichkeiten, durch aufwendige und kostenintensive Züchtungsmethoden schnell Sorten anzupassen. Dabei sind die Kosten von Art zu Art sehr unterschiedlich. Die Entwicklung einer Getreidesorte kann schon mal über eine halbe Million Euro kosten. Bei Gemüse sind die Kosten zwar noch deutlich niedriger, für große Saatgutkonzerne ist die Sortenentwicklung in Nischen aber nicht attraktiv. Dadurch kommt es aber überall zu einer Verarmung von Vielfalt auf den Äckern. Agrobiodiversität geht nur mit vielfältigen, anpassungsfähigen und ökonomisch tragfähigen Sorten.

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Vor der Dämmerung machen wir uns auf zur Unterkunft. Am Auftakt-Abend bleibt noch etwas Zeit für eine Einführung in die verschiedenen Dimensionen des Themas Saatgut: Saatgutpraxis, Saatgutmarkt, Saatgutgesetzgebung – hier und in anderen Ländern der Welt.

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Am Mittwoch startete das Programm mit einer Videokonferenz. Wir konnten mit Cris Panerio und Bonifacio Nazareno von MASIPAG sprechen, einem seit 1987 bestehenden Saatgut-Netzwerk aus den Philippinen, bei dem die Bäuer*innen die Züchtungsziele bestimmen. Sie produzieren ihr Saatgut selbst und die Sorten, die sie entwickeln und anbauen, sind nicht von künstlichen Düngemitteln oder Pestiziden abhängig. Ihr System beruht auf dem Teilen und ist unglaublich erfolgreich: Inzwischen besteht das Netzwerk aus über 60.000 Bäuer*innen aus 50 der 81 Provinzen. Es gibt 20 bäuerliche Züchtungseinrichtungen und über 100 Trainer*innen, die die Bäuer*innen für die Saatguterhaltung und -selektion weiterbilden. Etliche zivilgesellschaftliche Organisationen und einige Wissenschaftler*innen unterstützen das Projekt ebenfalls. Cris Panerio erzählt uns, wie das Projekt in der Praxis funktioniert. Durch mühevolle Arbeit wurden 2147 Reis-Variationen gesammelt und auf Versuchsfarmen weiterentwickelt.

Bäuerliche Armut und erschöpfte Böden sind seit der “Grünen Revolution” auf den Philippinen ein großes Problem. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die MASIPAG-Bäuer*innen im Vergleich mit ihren konventionellen Berufskolleg*innen ein über 60% höheres hohes Einkommen erwirtschaften können und durch Synergieeffekte eine höhere Nahrungsmittelsicherheit und ausgewogenere Ernährung und positive Effekte für ihre Gesundheit erzielen. Ganz aktuell wirkt sich natürlich auch die Corona-Pandemie auf die Bäuer*innen auf den Philippinen aus. Sie teilen solidarisch ihr Saatgut und Lebensmittel und erhalten dadurch viel Anerkennung durch die Bevölkerung. Gerade in Zeiten wie diesen bewährt sich ihr System also besonders. Mehr zu MASIPAG erfahrt ihr hier.

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Wir packen unsere sieben Sachen und schwingen uns aufs Rad in Richtung Quedlinburg. Kurz vor den Toren der Stadt erreichen wir schon unser nächstes Ziel: den Erhaltungsgarten von Gisa und Dieter Hoppe. Sie waren beide beruflich in der Pflanzenzüchtung tätig und engagieren sich heute in hohem Maß ehrenamtlich beim Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN). Eine ihrer Leidenschaften sind die Tomaten, deren Vielfalt wir uns anschauen und verköstigen dürfen. Sie sind als Mitglieder der Tomatenfachgruppe für die Erhaltung besonderer Hausgartensorten und Sorten aus der roten Liste zuständig. Das Saatgut kommt meistens aus einer Genbank und wird durch die Arbeit solcher Saatgutinitiativen vermehrt und über Saatguttauschbörsen wieder in Umlauf gebracht. In den Fachgruppen werden die Erfahrungen ausgetauscht und dokumentiert, sodass das Wissen über die Sorten und die Erhaltung vermehrt wird. In diesem Sinne durften wir uns auch anschauen, mit welchen Methoden sie das Saatgut der Tomaten reinigen und lagern.

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So begeistert von Sortenvielfalt wollen wir die Menschen in der Saatgut- und Welterbestadt Quedlinburg auf das Thema aufmerksam machen. Dafür starten wir in kleinen Gruppen zur Aktionsrallye, kommen ins Gespräch, verteilen Saatgut bedrohter Sorten, dichten Saatgut-Lieder und setzen mit Kreide bunte Zeichen für Saatgut-Vielfalt. Einige Begegnungen sind auch überraschend, als eine Gruppe einen ehemaligen Mitarbeiter eines Saatgutunternehmens trifft, oder eine andere durch ihren Gesang eine Journalistin aus dem Haus lockt.

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Im Ditfurter Heimatmuseum kehrten wir nach einem ereignisreichen Tag ein und bereiteten uns noch auf den nächsten Tag und den Besuch beim Leibnitz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben und die Saatgut-Genbank vor. Jutta Sundermann und Andreas Riekeberg teilten persönliche Einblicke aus der Geschichte der Saatgut-Genbank und des Widerstands aus der Zivilgesellschaft und bäuerlicher Organisationen, als zum Beispiel in Gatersleben Versuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen starten sollten. Bei einem europäischen Saatguttreffen wurde prompt ein Weizennotkommittee gegründet und alle Weizensorten des damaligen Anbauplans angefordert, um sie dezentral und sicher vor der Verkreuzung mit dem gentechnisch kontaminierten Material zu erhalten. Bis heute sind davon noch mehrere Dutzend Sorten im Umlauf.

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Die Genbank in Gatersleben gehörte für viele Teilnehmer*innen zu einem besonderen Höhepunkt der Radtour. Viele hatten schon davon gehört und konnten sich nun vor Ort einen eigenen Eindruck verschaffen. In drei Gruppen aufgeteilt wurden wir durch die Genbank, die Cryo-Konservierungsanlage und zu den Anbaufeldern geführt. Mit 550 Mitarbeiter*innen, davon 220 aus 40 Nationen im wissenschaftlichen Betrieb, ist das IPK Gatersleben eine Forschungsstation mit großer Bedeutung. Hier sind über 128.000 Akzessionen (Saatgut und Pflanzenmaterial) eingelagert und wird an Technologien für deren Erhaltung und Nutzung für die Züchtung geforscht.

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Das Ziel “Sammeln und Erhalten” wurde insbesondere in den 50er bis 80er Jahren stark vorangetrieben und – nicht ganz unkritisch – Proben aus aller Welt von Forschungsreisen mitgebracht. Seit 2012 gibt es kaum Neuzugänge im Sortiment. Prof. Dr. Andreas Börner, Leiter der Arbeitsgruppe Ressourcengenetik und Reproduktion, erzählt, dass heutzutage viele Länder ihr Saatgut nicht mehr frei zur Verfügung stellen, damit sie im Wettbewerb der Pflanzenzüchtung keine Nachteile mehr erleiden und das genetische Material nicht durch “Biopiraterie” von Konzernen aus dem Globalen Norden privatisiert werden kann. Denn laut Prof. Dr. Börner gibt es bislang nur einen (!) Fall, in dem die von Pflanzenzüchtern seit 15 Jahren vertraglich verlangten Zahlungen von 1,2% an Ursprungsländer des verwendeten Materials tatsächlich erfolgt ist. Problematisch sei vor allem der Nachweis, weshalb die Unternehmen keine Sanktionen zu befürchten hätten.

Draußen konnten wir uns mit Dr. Ulrike Lohwasser die Anbauflächen und Gewächshäuser anschauen. Obwohl die Kulturpflanzen größtenteils zur Lebensmittelproduktion dienen, können die hier angebauten Pflanzen nicht verköstigt werden. Das IPK benutzt besondere Pflanzenschutzmittel, damit die anfälligen und nicht angepassten Pflanzen überleben können. Interessant ist auch eine neue Viruserkrankung von Tomaten, weshalb in Zukunft vor der Abgabe von Saatgut an Züchter und private Haushalte ein spezieller kostenpflichtiger Test durchgeführt werden muss, um die Ausbreitung zu verhindern.

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Die Führung durch das Labor der Cryo- und Stressbiologie bekamen wir von der Leiterin Dr. Manuela Nagel. Etwa 95% der Akzessionen können als Saatgut erhalten werden. Manche Pflanzen vermehren sich jedoch nur vegetativ bzw. sind die Sorten nur durch vegetative Vermehrung zu erhalten, beispielsweise viele Obstsorten, Allium-Gewächse, Kartoffelsorten und Minze. Von diesen Pflanzen werden kleine Proben genommen und in einer künstlichen Umgebung mit Nährlösung versucht das Wachstumsintervall zu verlängern, um den Arbeitsaufwand zu verringern. Seit den 90er Jahren wird zudem die Cryo-Konservierung erforscht und in der Praxis erprobt. Von ca. 300 Einzelpflanzen werden die Triebspitzen genommen, der Wassergehalt reduziert und dann in flüssigem Stickstoff bei -196°C tiefgefroren. Daraus lässt sich dann nach theoretisch unbegrenzter Zeit wieder die komplette Pflanze regenerieren. Wenngleich dieses Verfahren langfristig gegenüber dem Feldanbau Kosten spart, sind in uns doch Fragen zurückgeblieben.

Die so gelagerten Akzessionen sind nur noch mit spezieller Technologie für die Pflanzenzüchtung verwendbar und kleine und mittlere Pflanzenzüchter könnten somit nach und nach ausgeschlossen werden. Insgesamt haben sich auch die Anbauzyklen der übrigen Akzessionen stark verlängert. Die Abstände sind für Tomatensorten auf inzwischen 38 Jahre gestiegen. Auch wenn die Keimfähigkeit regelmäßig geprüft wird, erhalten die Sorten keine Chance, sich an die verändernden Umweltbedingungen anzupassen. Die Konservierung ist also keine Lösung, sondern der Erhalt und die Entwicklung angepasster Sorten funktioniert nur mit dem entsprechenden regelmäßigen Anbau im Feld. Mit vielen Gedanken und Gesprächsbedarf für die Fahrt machten wir uns auf zur längsten Etappe bis nach Magdeburg.

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Für den vierten Tag der Aktionsradtour standeneine weitere Videokonferenz und zwei spannende Stationen in Magdeburg auf dem Plan. Zunächst erhielten wir von Julia Bar-Tal einen bewegenden Vortrag über Saatgutsouveränität und wie sie in Kriegszeiten verteidigt werden kann. Sie berichtete vom Projekt “15th Garden”, einem syrischen Netzwerk von kleinen und teilweise versteckten Gärten, mit denen die Menschen in den Städten den Belagerungszuständen und dem drohenden Hunger zu trotzen versuchten. Dafür mussten Aktivisten erst einmal wieder geeignetes Saatgut in die Regionen bringen, wo Menschen durch Krieg und Vertreibung vieles verloren hatten. Das Netzwerk organisiert Workshops und gestaltet einfach zu verstehende Anleitungen und Radiobeiträge, mit denen der Anbau von Nahrungsmitteln unterrichtet werden kann.

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Die Radtour-Gruppe setzte sich dann wieder in Bewegung, um die Magdeburger Prüfstelle des Bundessortenamts zu besuchen. Hier wird über Sortenschutz und Sortenzulassung entschieden. Dr. Hans-Horst Borg nahm sich über eine Stunde Zeit, um von den Aufgaben und dem Alltag zu erzählen und Zusammenhänge mit den europäischen Zulassungsverfahren zu erklären. Interessant war die Erkenntnis, dass die Prüfstellen gewisse Spielräume zur Verfügung haben, Prüfungen unter regionalen Bedingungen durchzuführen, aber keine Empfehlungen für Regionen aussprechen dürfen. Die sogenannten landeskulturellen Werte, also Eigenschaften wie Geschmack oder Verarbeitbarkeit, werden immer weniger berücksichtigt. Im Allgemeinen gilt, dass Sorten einen immer höheren Ertrag liefern, überregional funktionieren und den strengen DUS-Kriterien (Unterscheidbarkeit, Einheitlichkeit, Stabilität) genügen müssen. Die Anmeldezahlen neuer Sorten sei bei Arten wie Kartoffeln und Weizen stabil, bei kleineren Arten wie Runkelrüben sei die Entwicklung jedoch äußerst problematisch, weil sich die Investitionen für die Züchter nicht lohnen. Wir konnten viele Fragen stellen und stießen mit unseren Forderungen nach vielfältigem und auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Anbau auf offene Ohren.

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Wie eine auf Vielfalt und exotische Pflanzen ausgerichtete Gärtnerei aussieht, das konnten wir im Anschluss direkt kennenlernen. In Kevin Zachaus Pflanzenwelt in Barleben nördlich von Magdeburg ist ein kleines Paradies entstanden. Viele Mikro-Biotope ermöglichen es den Pflanzen, ihren Bedürfnissen gerecht zu gedeihen. Mit pfiffigen Methoden vermehrt Kevin Zachau frostresistente Feigenbäume oder seltene Beerensträucher und züchtet nebenbei auch noch eine eigene Hühnerrasse. Der Besuch bei ihm hat auf jeden Fall Eindruck hinterlassen und manch eine*r wünscht sich, hier mal Urlaub zu machen. Doch im Urlaub sind wir gerade nicht, denn nach der Rückkehr in die Unterkunft ging es noch an die Aktionsvorbereitung für den nächsten Morgen.

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Wenn viele Köpfe zusammenkommen, kommt meistens was tolles bei raus. Als Höhepunkt der Aktionsradtour hatten wir für Samstag eine Verabredung mit Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert, bei der wir uns für den Erhalt der Sortenvielfalt einsetzen wollten. Gemeinsam wurde ein großes Banner gemalt und für ein Theaterstück Rollen und Kostüme ausgetüftelt. Nach der Generalprobe am Vorabend ging es am Samstag dann zum Ökoaktionstag in einem Magdeburger Stadtteil, den die BioHöfeGemeinschaft organisiert hatte. Als Saatgutaktivist*innen inszenierten wir die Gefahr für die Vielfalt, um zum Engagement für den Erhalt der Sortenvielfalt zu ermutigen. Dafür setzten wir die starke Ausrichtung der Pflanzenzüchtung an Profitinteressen, die geringe Auswahl an Gemüse und Früchten im Supermarkt und die ungenügende Bearbeitung des Themas in der landwirtschaftlichen Berufsausbildungen in Szene. Dieses Zusammenspiel beschleunigt den unwiederruflichen Verlust der Saatgut-Vielfalt. Deshalb übergab Aktion Agrar der Landwirtschaftsministerin im Anschluss eine Petition mit 2800 Unterschriften für die Stärkung der Vielfalt und bäuerlicher Saatgutsysteme. Die Erhaltung der Vielfalt gehört in die Aus- und Weiterbildungsprogramme für Landwirt*innen und Bund und Länder müssen Forschung für Vielfalt fördern. Nach der Ansprache der Ministerin konnten wir mit ihr noch weiter diskutieren und haben die Hoffnung, mit unseren Argumenten und Erfahrungsberichten etwas in die richtige Richtung bewegt zu haben.

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Zufrieden und mit Kaffee und Kuchen versorgt radelten wir dann weiter in Richtung Norden. In der Kulturscheune Loitsche kamen wir für eine Auswertungsrunde zusammen und nahmen verschiedene Themen noch mit in kleinere Gesprächskreise. Nach der letzten Nacht sammelten wir nochmals unsere Kräfte und fuhren zum Birnenzentrum in Welle. Dort empfing uns die Kunsthistorikerin und engagierte Vielfalts-Retterin Brita von Götz-Mohr an einer der längsten und schönsten Birnenallee der Altmark, die vermutlich etwa 100 Jahre und inzwischen auch denkmalgeschützt ist. Obstbaumalleen und Streuobstwiesen sind besondere Kulturlandschaften, weil sie wichtige Lebensräume für Tiere und Insekten schaffen. Gleichzeitig sind sie auch für den Menschen nutzbar – und Brita von Götz-Mohr sagt zu Recht: Der Erhalt geht nur mit Verwertung. Private Initiativen übernehmen daher immer häufiger die Nutzung des Obstes und rufen zu Birnentagen und Pflaumenfesten auf. Es werden alte Rezepte gesammelt und Baumschulen wieder mit der Nachzucht der aussterbenden Obstsorten beauftragt. Glücklicherweise haben sich im Verein in Welle schon einige junge Menschen für das Streuobst begeistern lassen. Herausfordernd werden die Zeiten dennoch werden, denn neben Tatkraft und Finanzierung ist der Klimawandel und die Trockenheit für die Bäume eine wachsende Gefahr.

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Mit so vielen Stationen, Eindrücken und Erlebnissen und nicht zuletzt dem intensiven Austausch untereinander ging die Woche der Aktionsradtour am Sonntag zu Ende. Auch diesmal waren wir voller Energie und Motivation für die Agrarwende unterwegs – und denken zufrieden an die vielen tollen Begegnungen auf der Tour.

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Förderung FEB+KF